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BOTSCHAFT VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DES 88. KATHOLIKENTAGES

Sonntag, 8. Juli 1984

 

Verehrte Mitbrüder,
Liebe Brüder und Schwestern!

Zum Abschluß des 88. Deutschen Katholikentages in München grüße ich voll Freude Dich, meinen geliebten Bruder, Erzbischof Friedrich Wetter, als den Oberhirten der gastgebenden Diözese. Zusammen mit Dir gilt mein herzliches ”Grüß Gott“ allen Mitbrüdern im Bischofsamt und Euch allen, die Ihr von nah und fern zu diesen Tagen des Gebetes und der Begegnung, des Bekenntnisses und der Feier in der gastlichen Stadt München zusammengekommen seid. Mein aufrichtiger Segenswunsch und meine Verbundenheit gelten besonders auch all denen, die durch Krankheit oder durch Grenzen verhindert sind zu kommen und doch auf ihre Weise den Katholikentag mittragen.

1. ”Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt“, dieses Wort des Glaubenszeugen Pater Alfred Delp, das über Eurem Katholikentag steht, ist Ermutigung und Herausforderung zugleich. Es ist Ermutigung. Laßt Euch nicht entmutigen! Laßt Euch nicht täuschen“, habe ich der Jugend vor drei Jahren in dieser Stadt zugerufen. Ihr braucht Mut zum Leben, Perspektiven und Maßstäbe, Vorbilder wie Pater Delp und zugleich Gesprächspartner, die Euch Freundschaft und Weggemeinschaft anbieten. Vor allem aber sollt Ihr wissen, daß Ihr dem Leben trauen dürft, weil Ihr von Gott gerufen seid, so wie nur Er uns rufen kann. Ja, Euer menschliches Leben hat seinen Sinn, weil ein jeder von Euch ganz persönlich bei seinem Namen gerufen ist. Stellt Euch immer neu dem Anspruch des Evangeliums und den Anforderungen der Nachfolge. Sie sind eine echte Alternative zu heutigen Verhaltensmustern, zum Rückzug in Egoismus und Resignation, zur Flucht vor dem Wagnis des Lebens. Je tiefer wir als Christen davon überzeugt sind, daß Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, um so mehr können wir uns auf das Gespräch zwischen den Generationen und einen gemeinsamen Weg mit der jungen Generation einlassen.

Hier möchte ich mich ganz besonders an die unter Euch wenden, die schon im vorgerückten Alter sind: Ihr seid dabei, die Ernte Eures Lebens einzufahren, und werdet mit dem eigentlichen Leben in Christus immer mehr konfrontiert. Ich habe selbst in den Tagen der Krankheit etwas von dem Abgrund gespürt, der einsame und leidende Menschen vom Leben dieser Welt trennt. ”Laßt immer bewußter Gott zum Partner Eures Lebens werden“, so habe ich zu Euch damals im Münchner Liebfrauendom gesagt. Das Wissen um Gottes Nähe läßt uns auch in den Tagen des Alters ja sagen zu unseren Grenzen und läßt uns zugleich die Kostbarkeit dieses letzten Lebensabschnittes erfahren. Gerade dann, wenn es schwer fallen mag, diesem Leben hier noch zu trauen, geht der tiefere Sinn dieses Lebens auf. Hat uns nicht Pater Delp sein Vermächtnis, dem Leben zu trauen, mit gefesselten Händen hinterlassen, nachdem er sein Leben bereits Gott übergeben hatte?
Liebe Brüder und Schwestern!

2. Das Leitwort Eures Katholikentages ist auch eine Herausforderung. Eure Gesellschaft darf mit Recht von einem Katholikentag - dies hat die bewegte Geschichte der Katholikentage bewiesen - auch ein klares und vielleicht unbequemes Wort zu drängenden Fragen erwarten. Mit großer Freude und innerer Zustimmung habe ich die Initiative der deutschen Katholiken ”Wähle das Leben“ verfolgt. Ihr geht es darum, das Bewußtsein und die Bereitschaft dafür in Kirche und Öffentlichkeit zu wecken. Immer mehr verbreitet sich eine Mentalität, die dem Leben resigniert oder gar feindlich gegenübersteht, nicht wenigen fehlt der Mut zum eigenen Leben und zur Weitergabe des Lebens. Diese Mentalität muß durch ein neues Ja zum Leben überwunden werden! Die Kirche steht auf der Seite des Lebens. Laßt nicht nach in Eurem anfänglichen Elan. Seht zu, daß Ihr zu einem Sprachrohr für die vielen werdet, die nicht sprechen können oder dürfen, für die, deren Freiheit verletzt, deren elementare Menschenrechte unterdrückt, deren Leben bedroht oder zerstört wird. Scheut nicht zurück vor der unbequemen Aufgabe, Anwalt des Lebens - auch des ungeborenen - zu sein. Bezeugt zugleich in Wort und Tat die Frohe Botschaft vom ganzen, vom ewigen Leben und von den höheren Werten des Menschen: der Würde seiner Person und ihren unveräußerlichen Grundrechten. Euer Eintreten für das Leben wird um so überzeugender sein, je mehr Ihr bei der Lösung konkreter Zukunftsfragen Eures Landes auch im sozialen Bereich und durch politisches Engagement Wegweiser und Bahnbrecher seid: Ich erinnere an die gezielte Förderung der Familie angesichts ihrer ständig wachsenden Belastungen; ich erinnere an das bedrängende Problem der Arbeitslosigkeit, vor allem vieler Jugendlicher; ich erinnere an die konkrete Solidarität nicht nur mit den Fernsten - Euer Beitrag für die Länder und Kirchen der Dritten Welt ist beispielhaft -, sondern auch für Eure Nächsten, etwa für Eure ausländischen Mitbürger. Ihr wolltet mit Eurer Initiative ja bewußt die ganze Breite des Lebensschutzes heute miteinbeziehen.

Besonders herzlich grüße ich auch die anwesenden Mitchristen aus den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und wiederhole mein Vermächtnis, der Einheit zu dienen, das ich Euch zum Abschluß meiner Pastoralreise in Deutschland vor meinem Abflug in München-Riem hinterlassen habe: ”Wir müssen diesen Weg mit Ausdauer gehen - weitergehen - und nicht stillstehen“.
Liebe Brüder und Schwestern!

Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt: Ruft dieses Wort hinein in eine Welt, die sich selbst absolut setzt und dann vor der eigenen Einsamkeit zurückschreckt! Sagt es Euch gegenseitig und laßt es einander spüren: Es ist gut, daß es Dich gibt. Sagt es den Verzweifelten, die das Leben wegwerfen möchten: Gott hat ja zu diesem Leben gesagt und es in Christus bis in den Tod selbst durchkostet! Sagt es den Einsamen: Der Mensch ist nicht mehr allein, Gott ist mit uns!

Als Kirche für das Leben feiert in froher Gemeinschaft ein Fest von der Fülle des Lebens, das uns Jesus Christus gebracht hat! Schaut auf zu Maria, der Patronin dieses bayerischen Landes, die der Welt den Urheber des Lebens geschenkt hat! Ich begleite Euch mit meinem Gebet und Opfer, damit unsere Gemeinschaft und Freude vollkommen sei. So segne ich Euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

© Copyright 1984 -  Libreria Editrice Vaticana

 



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