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 ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II. 
AN DIE BISCHÖFE VON SKANDINAVIEN
ANLÄSSLICH IHRES «AD-LIMINA
»-BESUCHES

Samstag, 19. April 1997

 

Liebe Brüder im Bischofsamt!

1. Mit großer Freude heiße ich euch im »Haus des Petrus« willkommen, euch, die ihr mit der Seelsorge des Volkes Gottes in Skandinavien betraut seid. Der »Ad-limina«-Besuch führt euch zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus, um das Bewußtsein eurer Verantwortung als Nachfolger der Apostel zu stärken und um eure Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom noch intensiver zu erfahren. In der Tat haben die »Ad-limina«-Besuche eine besondere Bedeutung im Leben der Kirche, »da sie in gewisser Weise den Gipfel der Beziehungen zwischen den Hirten einer jeden Ortskirche und dem römischen Pontifex darstellen« (Johannes Paul II., Pastor bonus, 29). Von Herzen danke ich dem Bischof von Helsinki und Präsidenten eurer Bischofskonferenz, Monsignor Paul Verschuren, für die bewegenden Worte, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Sie waren nicht nur informativ, sondern brachten auch die Einheit und Treue zum Ausdruck, die den »hohen Norden« mit Rom verbindet.

Die verschiedenen Begegnungen, die uns und mich mit den euch anvertrauten Gläubigen zusammenführten, sind mir noch in lebendiger Erinnerung: Ich denke an meinen Pastoralbesuch bei euch im Jahre 1989 ebenso wie an die 600-Jahrfeier der Heiligsprechung von Birgitta von Schweden, die ihr zwei Jahre später zum Anlaß genommen habt, um zum »centrum unitatis«(S. Cypriani, De unitate, 7), der Mitte der Einheit, nach Rom zu pilgern. Bei eurem letzten »Ad-limina«-Besuch vor fünf Jahren haben wir gemeinsam die Sendung und die Aufgaben bedacht, die mit eurem bischöflichen Amt verbunden sind. Heute lade ich euch dazu ein, an die Überlegungen von damals anzuknüpfen und sie unter dem Blickwinkel des Begriffs und der Wirklichkeit von Kirche fortzuführen, wie ihr sie in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden antrefft, als »Knechte Christi« (vgl. Röm 1, 1) aufbauen helft und »als Vorbilder für die Herde« (1 Pt 5, 3) leitet. Denn die Tage, die ihr in Rom verbringt, dienen nicht nur der Beratung, sie sind auch Wallfahrt und Bekenntnis: Bekenntnis zur Kirche, gegründet von Jesus Christus auf Petrus, den Fels, »das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielfalt« (Lumen gentium, 23).

2. Ich glaube die Kirche. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir uns zur Kirche, sagen aber nicht, daß wir an die Kirche glauben, damit wir nicht Gott und seine Kirche verwechseln, sondern alle Gaben, die er in seine Kirche gelegt hat, klar der Güte Gottes zuzuschreiben (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1, 10, 22). Deshalb hängt unser Bekenntnis zur Kirche ganz am Glaubensartikel vom Heiligen Geist. Wie die Väter es ausdrücken, ist die Kirche der Ort, »wo der Geist blüht« (S. Hyppoliti, Traditio apostolica, 35). Ähnlich äußert sich das Zweite Vatikanische Konzil: »Da Christus das Licht der Völker ist«, wünscht die Versammlung, »alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten« (Lumen gentium, 1). Die Kirche hat also die Erleuchtung nicht aus sich selbst. Sie hat kein anderes Licht als Christus. Deshalb kann man sie mit dem Mond vergleichen, dessen ganzes Licht Widerschein der Sonne ist.

Liebe Mitbrüder! Ich danke euch, daß ihr bereit seid, ausgestattet mit den Gaben des Heiligen Geistes das »Licht Christi« in Länder zu tragen, in denen die Natur mit ihrem Spiel von Hell und Dunkel, von Sonne und Mond die Bildrede des Konzils in eindrucksvoller und oft dramatischer Weise deutet. Auch wenn euch manchmal das Herz schwer darüber werden sollte, daß das Licht Christi trotz aller Mühe nur zaghaft zum Durchbruch kommt, ermutige ich euch, in eurem Eifer nicht nachzulassen: Denn Christi Licht ist stärker als die noch so große Dunkelheit. Aus eigenem Erleben während meines Pastoralbesuches wie auch aus dem Studium eurer Fünfjahresberichte weiß ich um die vielen Lichter, die ihr zusammen mit euren Priestern, den Diakonen und Ordensleuten sowie zahlreichen engagierten Frauen und Männern. in den vergangenen Jahren angezündet habt. So spiegeln sich die Eigenschaften, die das Apostolische Glaubensbekenntnis der Kirche zuweist, in euren Teilkirchen wider, »auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Zerstreuung leben« (Lumen gentium, 26).

3. Ich glaube die eine Kirche. Ökumene und kirchliches Leben gehören für euch zusammen wie die Fische und das Wasser. Vom privaten Bereich bis in die Ebene der Kirchenleitungen reicht die Bandbreite des interkonfessionellen Dialogs. Aber es bleibt nicht beim Austausch der Worte. Ich empfinde es als große Freude, daß in Schweden die heilige Birgitta von Lutheranern und Katholiken gleichermaßen verehrt wird. Ihr dürft euch wegen dieser »ökumenischen heiligen Frau« wirklich glücklich schätzen! Ihr Leben und Wirken bilden ein gemeinsames Erbe. »Herr, zeige mir den Weg und mache mich bereit, ihm zu folgen«. Die Bitte stammt aus einem ihrer Gebete, die noch heute in Schweden lebendig sind. Was diese »Prophetin der Neuzeit« einst vorgebetet hat, kann zum Programm der ökumenischen Bewegung werden. Laßt mich deshalb wiederholen, was ich euch schon am 5. Oktober 1991 beim ökumenischen Gebetstreffen am Grab des heiligen Petrus ans Herz legte: »Der Ökumenismus ist ein Weg, den man gemeinsam einschlägt; doch wir können unmöglich seinen Verlauf und seine Dauer im voraus festlegen. Wir wissen nicht, ob dieser Weg leicht oder schwer sein wird. Wir wissen nur um unsere Pflicht, diesen Weg gemeinsam fortzusetzen«.

Ich freue mich über die vielfältigen ökumenischen Initiativen, die ihr in euren Teilkirchen auf theologischer, spiritueller und liturgischer Ebene unermüdlich unternehmt. Dadurch seid ihr zu kompetenten und vertrauenswürdigen Gesprächspartnern für die Vertreter anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften geworden. Setzt mutig und aufrichtig diesen Weg des gegenseitigen Kennenlernens und der Annäherung fort »in Treue zur Wahrheit, die wir von den Aposteln und den Vätern empfangen haben« (Unitatis redintegratio, 24). Denn der gemeinsame Blick auf Christus ist stärker als alles Trennende der Geschichte, das mit Gottes Hilfe geduldig abgetragen werden muß. Wie ich am 9. Juni 1989 bei der ökumenischen Feier in Uppsala erklärt habe, »kann nicht alles sofort geschehen. Doch wir müssen heute das tun, was uns möglich ist, und auf das hoffen, was wir morgen tun können«. In dieser Richtung arbeitet heute die gemischte Kommission für den katholisch-lutherischen Dialog und verbindet dabei mit mir die Hoffnung, morgen »jene Fülle zu erreichen, die sein Leib nach dem Willen des Herrn im Ablauf der Zeiten erreichen soll« (Unitatis redintegratio, 21). An der Schwelle zum Jahr 2000 liegen mir zwei Anliegen besonders am Herzen: »Man muß den Dialog Tiber die Lehre fortsetzen, sich aber vor allem stärker dem ökumenischen Gebet widmen« (vgl. Tertio Millennio adveniente, 34). Die gemeinsame Suche nach der Wahrheit ist ebenso wichtig wie das gemeinsame Zeugnis, am wichtigsten aber ist die gemeinsame Anbetung dessen, der »das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet« (Joh 1, 9). Aus dem Geist der Anbetung erwächst eine Ökumene des Zeugnisses, die heute dringlicher ist denn je (vgl. Redemptoris missio, 50). Denn das Glaubensbekenntnis sagt: Ich glaube die heilige Kirche. Die Kirche wird durch Christus geheiligt, weil sie mit ihm vereint ist. Trotzdem besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Christus und seiner Kirche.

4. Während Christus insofern heilig ist, als er die Sünde nicht kannte, leben im Schoß der Kirche auch Sünder. So bedarf sie der steten Reinigung. Doch »die Kirche ist heilig, auch wenn sich in ihrer Mitte Sünder befinden; denn sie lebt kein anderes Zeichen als das der Gnade« (Paul VI., Credo Populo Dei, 19). In euren Berichten habt ihr ausführlich dargelegt, welche Widerstände sich der Kirche und ihren Gliedern in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche entgegenstellen, um der Heiligkeit gerecht zu werden.

Ihr habt die heilige Kirche in den pluralistischen Gesellschaften zu bezeugen, in denen ihr lebt. Wenn diese auch mehr und mehr zum Schauplatz des Widerstreits verschiedener Lebensentwürfe werden, sind sie gleichzeitig »Areopage« des Dialogs zwischen Staat und Kirche (vgl. Johannes Paul II., Redemptoris missio, 37). Denn nicht nur in den religiös geprägten Kulturen, sondern auch in den säkularisierten Gesellschaften suchen viele Menschen die geistliche Dimension des Lebens als Heilmittel gegen eine Entmenschlichung, die sie täglich erfahren. Dieses sogenannte Phänomen der »Rückkehr zur Religion« ist nicht ohne Zweideutigkeit, enthält aber auch eine Einladung. Denn die Kirche besitzt unschätzbare geistliche Guter, die sie den Menschen anbieten will. Um ihrer Sendung nachkommen zu können und um eine ständige Verbesserung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu fördern, braucht diese die volle Anerkennung und den Schutz der bürgerlichen Rechte, die ihr als Gemeinschaft zustehen. Nur so kann die heilige Kirche, »das Volk des Lebens«, für das Leben eintreten und »zur Erneuerung der Gesellschaft durch den Aufbau des Gemeinwohls beitragen« (Evangelium vitae, 101).

Die Heiligkeit der Glieder der Kirche erfährt zum Beispiel auch dort ihre Bewährungsprobe, wo es um die Ehrfurcht vor dem Leben geht. Was ihr schon jetzt in euren Fünfjahresberichten andeutet, das wird in Zukunft als große Herausforderung vor euch stehen: der Schutz der Heiligkeit des Lebens. Wo das christliche Fundament nach und nach weggezogen wird, da sägt die Gesellschaft am eigenen Ast. Wir sehen es heute in der allmählichen Auflösung der Ehe als Grundform menschlichen Zusammenlebens, der die Herabstufung des Sexuellen zu einer Art Ware folgt, die nicht mehr in ihrer personalen Würde, sondern als Mittel zur Befriedigung der Lust oder eigenen »Bedürfnisse« gesehen wird. Der Kampf der Geschlechter und der Kampf der Generationen gegeneinander folgen zwangsläufig daraus. Den gleichen Auflösungsprozeß beobachten wir im Verhältnis zum ungeborenen Leben. Wenn Einverständnis darüber erzielt ist, daß man vermutlich behinderte Kinder abtreiben kann, um ihnen und anderen die Last ihrer Existenz zu ersparen, welche Verhöhnung aller Behinderten ist ein solches Ansinnen! Was für den Anfang gilt, das trifft auch und vor allem für das Ende des menschlichen Lebens zu. Keine Person ist so krank, alt oder behindert, daß der Mensch das Recht hat, über ihr Leben zu verfügen.

Deshalb rufe ich euch, liebe Mitbrüder, zum ökumenischen Zeugnis für die Heiligkeit des Lebens auf: das heißt einander in der Trennung nicht nur achten, sondern lieben in der Überzeugung, daß wir einander brauchen, voneinander empfangen, füreinander leben und miteinander Christen sind, um gemeinsam »die kulturelle Wende« in einer Gesellschaft herbeizuführen, die vom »dramatischen Kampf zwischen der »Kultur des Lebens« und der »Kultur des Todes« gekennzeichnet ist« (Evangelium vitae, 95). Ich wiederhole meinen »leidenschaftlichen Appell im Namen Gottes an alle und jeden einzelnen: Achte, verteidige, liebe das Leben, jedes menschliche Leben und diene ihm!« (Evangelium vitae, 5).

Um im Großen wirken zu können, ist gleichzeitig eine »Erneuerung der Kultur des Lebens innerhalb der christlichen Gemeinden« dringend erforderlich (vgl. Evangelium vitae, 95). Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Gewissensbildung zu. Denn der christliche Glaube erweckt das Gewissen und begründet das Ethos. Es ist sehr erfreulich, daß ein besonderes Augenmerk eurer Hirtensorge der Bildungsarbeit gilt. In den vergangenen Jahren konntet ihr den Katechismus der Katholischen Kirche in norwegischer und schwedischer Übersetzung veröffentlichen. Dänische und finnische Textfassungen werden folgen. Trotz knapper finanzieller Mittel wollt ihr auf die Trägerschaft einiger katholischer Schulen auch in Zukunft nicht verzichten. Als besonders verdienstvoll erachte ich eure Bereitschaft, daß ihr euch in die Reihe eurer priesterlichen Mitbrüder und Katecheten stellt, wenn ihr Glaubensunterricht erteilt und Einladungen zu Schulstunden annehmt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang den aufopferungsvollen Einsatz vieler Frauen und Männer, die in Pfarrheimen und, wenn diese nicht vorhanden sind, in ihren eigenen Wohnungen »Hauskatechesen« anbieten, um den jungen Menschen das Samenkorn des Glaubens ins Herz zu pflanzen und das nachzuholen, was die staatlichen Schulen der heranwachsenden Generation vorenthalten. Eine Familie, die das Wort Gottes weitergibt, wird zu einer »gläubigen und verkündenden Gemeinschaft« mit einem »prophetischen Auftrag« (Familiaris consortio, 51). Ihr Haus ist eine »Kirche im Kleinen«, eine »Ecclesia domestica« (Lumen gentium, 11).

5. Doch nicht nur im Sinnenfälligen zeigt sich die Kraft unseres Glaubens, sondern auch im Stillen. In euren Teilkirchen arbeiten zahlreiche Ordensgemeinschaften und Institute unermüdlich für den Aufbau des Reiches Gottes. Während die weiblichen Zweige in der Regel dem allgemeinen Trend entsprechen und über Nachwuchssorgen klagen, gibt es auch zarte Pflanzen, die Anlaß zu berechtigter Hoffnung geben. Neben dem Neubau der zwei Benediktinerinnenklöster in Schweden greife ich den »nördlichsten Karmel der Welt« heraus, der am S. September 1990 in Tromsø gegründet wurde. Waren es damals zwölf Schwestern, die von Island nach Nord-Norwegen aufbrachen, so ist die Gemeinschaft mittlerweile auf zwanzig angewachsen. Mit dem Karmel ist eine wesentliche Seite christlicher Existenz ganz neu in den Blick gekommen: das kontemplative Leben, das dem Gebet den ersten Platz einräumt. Verankert in seiner Mitte, die Jesus Christus ist, strahlt das Kloster auf die Pfarrgemeinde aus, die sich darum gebildet hat. Es sind nicht nur die lauten Töne der Schlagzeilen, es ist das unauffällige, aber selbstverständliche Dasein der Schwestern, das auf Außenstehende anziehend wirkt: ein ganz anderer, aber nicht weniger missionarischer Aspekt der »heiligen Kirche«. Denn »die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit« (Christifideles laici, 17). Manches, was klein ist wie ein Senfkorn, birgt Wachstumskräfte für einen großen Baum. Darauf dürfen wir hoffen, wenn wir den Faden des Glaubensbekenntnisses weiterführen: Ich glaube die katholische Kirche.

6. Angesichts der im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zum Teil verschwindend kleinen Anzahl der Glieder eurer Teilkirchen könntet ihr manchmal versucht sein, die bange Frage zu stellen: Wir sind nur ein unbedeutendes, »armes Würmchen« (Jes 41, 14). Sind wir überhaupt »katholisch« im allumfassenden Sinn? Ich kann solche Gedanken und Gefühle nachempfinden und rufe euch, liebe Mitbrüder, ein Wort zu, mit dem Jesus seine entmutigten Jünger aufgerichtet hat: »Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben« (Lk 12, 32). Damit wollte er sie nicht nur auf das Jenseits vertrösten, sondern ihren Blick auf die Gegenwart lenken: »Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch« (Lk 17,21). Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Wenn auch äußerlich weit zerstreut und zahlenmäßig klein, ist in den Teilkirchen durch euren bischöflichen Dienst Jesus Christus zugegen. »Wo Christus Jesus ist, da ist die katholische Kirche« (S. Ignatii Antiocheni, Ad Smyrn. 8, 2). Sie hat die von ihm geschenkte »Fülle der Mittel zum Heil« (Ad Gentes 6): das richtige und ganze Glaubensbekenntnis, das vollständig ausgeprägte sakramentale Leben und das geweihte Dienstamt in der apostolischen Sukzession. In diesem grundlegenden Sinn war die Kirche schon am Pfingsttag katholisch und wird es bleiben bis zu dem Tag, an dem Christus als Haupt den Leib der Kirche ganz vollenden wird (vgl. Eph 1, 22-23). Mit Anerkennung und Dank weiß ich euren Einsatz für die katholische Kirche in Skandinavien zu schätzen, besonders eure Mühen im Dienst der Verkündigung und in der Spendung der Sakramente. Auch ist euer Eifer ungebrochen, zusammen mit den Seelsorgern die bisweilen über weite Entfernungen hinweg verstreuten Pfarrgemeinden zu besuchen. Ihr bemüht euch, euren Gläubigen die Katholizität durch Treffen und Veranstaltungen, die über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinausgehen, erfahrbar zu machen. Mit großer Freude habe ich davon Kenntnis erlangt, daß ihr zum Jahr 2000 einen Katholikentag für ganz Skandinavien plant. Damit wollt ihr dem Norden Europas »einen großen christlichen Frühling bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann« (Redemptoris missio, 86). Schließlich zeigt ihr zusammen mit großzügigen Frauen und Männern, daß euer Herz einen wahrhaft katholischen Takt schlägt, wenn ihr von dem wenigen, was euch für pastorale und karitative Zwecke zur Verfügung steht, solidarisch abgebt, um damit Missionsprojekte fördern zu helfen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich euer Engagement in der Nächstenliebe im Kleinen wie im Großen, was sich nicht zuletzt darin niederschlägt, daß unser Mitbrüder Msgr. Kenney schon seit Jahren das Amt des Präsidenten der Europäischen »Caritas« bekleidet.

7. Laßt mich noch auf ein Problem hinweisen, das mich sehr bewegt: Ihr berichtet, daß in manchen eurer Kathedralen am Sonntag die Eucharistie in bis zu sieben verschiedenen Sprachen gefeiert wird. So trefft ihr, bedingt durch die Einwanderungsbewegungen und die multikulturelle Gesellschaft, auf eine Katholizität, die an das erste Pfingstfest erinnert. Diese Internationalität bedeutet einerseits Bereicherung, andererseits aber auch Gefährdung der Einheit und Identität, Vorurteile und Ablehnung, die Menschen aus anderen Ländern erfahren, schüren Rassenhaß und bauen Mauern auf. Besonders schwer haben es dabei die Flüchtlinge aus Asien und Südamerika. »Bei euch aber soll es nicht so sein« (Mt 20, 26). Zeigt den euch anvertrauten Priestern und Gläubigen, woher sie auch immer kommen, durch euer Einfühlungsvermögen und durch euer Beispiel, wie bereichernd eine Vielfalt von Gnadengaben sein kann, »damit sie anderen nützt« (1 Kor 12, 7). »Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zu Christus gehören« (Röm 12, 4-5). Nicht die Quantität der Gläubigen macht die Katholizität der Kirche aus, sondern die Kraft, die von oben kommt und ausstrahlt. Das kleine Senfkorn hat es in sich. Fürchte dich also nicht, du kleine Herde! Sei aber immer auch bedacht, daß keine Diebe und Räuber in deinen Schafstall eindringen (vgl. Joh 10, 7-10). Deshalb ermahne ich euch zur Vorsicht »in dieser Zeit, in der christliche und außerchristliche Sekten Verwirrung stiften« (Redemptoris missio, 50) und eine Bedrohung für die katholische Kirche und für alle kirchlichen Gemeinschaften darstellen, mit denen sie im Dialog steht. »Wo immer es möglich ist und gemäß den Umständen, wird die Antwort selbst eine ökumenische sein können« (ebd.). Dabei seid besonders ihr gefragt, denen das apostolische Amt anvertraut ist.

8. Ich glaube die apostolische Kirche. Durch euch, liebe Mitbrüder, setzt Christus seine Sendung fort: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20, 21). Das apostolische Amt hat aber nur dann »Autorität, wenn es zusammen mit dem Römischen Bischof als seinem Haupt verstanden wird« (Lumen gentium, 22). Es freut mich, daß die Bande unserer apostolischen Gemeinschaft so fest sind und versichere euch auch weiterhin der innigen Anteilnahme des Nachfolgers Petri. Ich betone dieses Versprechen gerade deshalb, weil ich euren Berichten entnehme, wie das apostolische Amt in euren Kirchen als eine Art Fels in der Brandung gefordert ist.

Die zivilen Ehescheidungen haben auch in euren Ländern steigende Tendenz. Das pastorale Problem der wiederverheirateten Geschiedenen stellt sich deshalb immer dringender. Ich wiederhole das, was ich am 24. Januar dieses Jahres bei der Vollversammlung des Päpstlichen .Rates für die Familie gesagt habe: Zwar können sie weder zur eucharistischen Kommunion noch zum Sakrament der Versöhnung zugelassen werden, doch »diese Frauen und Männer sollen wissen, daß die Kirche sie liebt, daß sie ihnen nicht fern ist, daß sie an ihrer Situation leidet. Die wiederverheirateten Geschiedenen sind und bleiben ihre Mitglieder, weil sie die Taufe empfangen haben und den christlichen Glauben bewahren« (vgl. Johannes Paul II., Familiaris consortio, 84). Die Seelsorger sind aufgerufen, ihnen »in fürsorgender Liebe beizustehen«, damit sie ausdauernd bleiben im Gebet und auf die väterliche Fürsorge Gottes vertrauen (vgl.).

Die lutherischen Kirchen haben in jüngster Vergangenheit wiederholt Frauen in Führungsaufgaben, darunter auch ins Bischofsamt gewählt. Ausdrücklich betone ich, »daß die Kirche keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben« (Johannes Paul II., Ordinatio sacerdotalis, 4).

9. Bei allen diesen Themen würdet ihr »einsame Rufer in der Wüste« (vgl. Mk 1,3)  sein, wenn es nicht hochherzige Frauen und Männer gäbe, die euch dabei unterstützen, für die christlichen Werte in einer säkularisierten Gesellschaft einzutreten. Schon das Konzil hatte erkannt, daß das Wirken der Laien so notwendig ist, »daß ohne dieses auch das Apostolat der Hirten meist nicht zu seiner vollen Wirkung kommen kann« (Apostolicam actuositatem, 10). Es darf aber nicht bei einem Appell wohlklingender Worte bleiben. Eine besonders gehaltvolle Passage des Apostolischen Schreibens Evangelii nuntiandi meines Vorgängers Pauls VI. verdient es, hier in Erinnerung gerufen zu werden: »Es gilt - und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn zu evangelisieren. Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist. Man muß somit alle Anstrengungen machen, um die Kultur, genauer die Kulturen, auf mutige Weise zu evangelisieren« (Paul VI., Evangelii nuntiandi, 20), Ich bitte euch, fähige Frauen und Männer zu fördern und zu ermutigen, das Evangelium »auf allen Straßen der Welt« zu verkündigen (vgl Christifideles laici, 44). Eine wichtige Straße der heutigen modernen Welt sind die Medien, in denen die Stimme der Kirche nicht fehlen sollte. Auch wenn es in allen Ländern, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, Kirchenzeitungen gibt, die auf dem Weg über das gedruckte Wort die Katholiken über Ereignisse im Bistum und in der Weltkirche informieren, ermutige ich dazu, euch noch mehr als Salz, Sauerteig und Licht in die Medienlandschaft einzumischen. Denn die Welt braucht kein diffuses religiöses Gefühl, sondern die Klarheit jener Botschaft von einem »Leben in Fülle« (vgl. Joh 10, 10), die zwar an den einzelnen hohe Ansprüche stellt, aber seine Existenz auch sinnerfüllt und eines Menschen erst würdig macht. Gebt den Menschen also nicht nur, was sie sich wünschen. Gebt ihnen, was sie brauchen! Sich dieser Aufgabe zu widmen ist apostolischer Dienst.

Liebe Mitbrüder!

10. Ich glaube die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Was dieses Bekenntnis für euch und eure Teilkirchen bedeutet, darüber haben wir miteinander nachgedacht. Was wäre diese Kirche ohne ihre Priester? Es herrscht bei euch zwar kein akuter Priestermangel, aber es fehlt an einheimischen Kräften. Deshalb lege ich euch die Sorge um den Priesternachwuchs besonders ans Herz, wobei ich eure Bemühungen der vergangenen Jahre nicht verkenne, den Strukturen und Ausbildungsgängen konkrete Gestalt zu verleihen. Gerade das Schwedische Kolleg in Rom, das Studenten aus ganz Skandinavien beherbergt, sowie die fachliche Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung, die euch mit der deutschen Kirche verbindet, sind ein Fundament, auf dem sich aufbauen läßt.

Mehr als die äußeren Voraussetzungen müssen aber die inneren Grundlagen stimmen. Wir können Berufungen nicht machen, aber wir können sie erbeten. Mehr als drei Jahrhunderte trennen uns von dem aus Kopenhagen stammenden Naturforscher, Arzt und Bischof Niels Stensen, der in seiner Zeit als Apostolischer Vikar für die Nordischen Missionen gewirkt hat. Philosophie, Medizin und Theologie haben sich seither weiterentwickelt. Geblieben ist unser aller Verantwortung, das Leben aus christlichem Glauben und Ethos zu gestalten. Was der selige Niels Stensen damals an die Propagandakongregation über den Erfolg seiner Bemühungen schrieb, das gilt auch uns: »Je weniger die menschliche Voraussicht sich oft von den Dingen Gottes verspricht, desto klarer tritt nach und nach die göttliche Vorsehung ans Tageslicht. In apostolischen Dingen muß man apostolisch vorgehen und den Gelegenheiten folgen, wie sie sich bieten, indem man den Erfolg der göttlichen Barmherzigkeit überläßt« (Niels Stensen, Epistulae II, 809).

So lege ich euer vielfältiges seelsorgerliches Wirken sowie die Leiden und Freuden, die eure Priester, Diakone, Ordensleute und Laien in ihrem Glaubensleben erfahren, gelassen in Gottes Hände. Auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria, die wir auch als Mutter der Kirche verehren, und der Heiligen eurer Länder erteile ich euch und allen, die euch anvertraut sind, von Herzen den Apostolischen Segen.

 

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