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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II. 
AN DIE VÄTER DER CHALDÄISCHEN KIRCHE
ANLÄSSLICH IHRER  SYNODE

Montag, 12. Juni 2000

 

Eure Seligkeit,
Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. »Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort« (Apg 2,1). Es waren dort die Mutter Jesu, die Apostel, die Jünger: Alle erwarteten im Gebet das Kommen des Heiligen Geistes. Unter den Zeugen des Pfingstereignisses befanden sich auch »Bewohner von Mesopotamien« (Apg 2,9). Die bald schon zu den ersten Jüngern des Messias Zählenden sind erstaunt, denn sie hören in ihrer Sprache Gottes große Taten verkünden (vgl. Apg 2,11). Petrus, der Erste der Apostel, verkündet ihnen mit der Kraft des Geistes die gute Nachricht: »Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen« (Apg 2,32).

Für mich, den Nachfolger Petri, ist es eine große Freude, euch begrüßen zu können, Bischöfe der chaldäischen Kirche, die ihr um euren Patriarchen versammelt seid, und mit euch beten zu können, Nachfolger der Apostel für diese vielgeliebte Kirche, deren seelsorgliche Verantwortung ihr tragt, eine Kirche, die in ihrem Fleisch geprüft ist. Meine Gedanken wenden sich auch dem ganzen irakischen Volk zu. Viele Male im Lauf der letzten Jahre bin ich diesem gesamten Volk nahe gewesen, seinen Kindern, seinen alten Leuten, seinen Kranken, seinen Familien und allen Menschen, die an ihrem Leib und ihrer Seele leiden. Zu wiederholten Anlässen hatte ich Gelegenheit, die internationale Gemeinschaft an ihre Pflicht zu erinnern, diesem bereits heimgesuchten Volk neue Prüfungen zu ersparen. Heute wiederhole ich es mit noch stärkerem Nachdruck: Es sollen sich alle dafür einsetzen, daß die Prüfungen für so viele Opfer der Zivilbevölkerung ein Ende finden!

2. Am Tag nach dem Pfingstfest, das uns das Geheimnis der Ausgießung des Geistes über die entstehende Kirche in Erinnerung gebracht hat, ist es besonders bedeutsam, eine Synode zu erleben wie die, welche ihr heute beginnt. »Alle befanden sich am gleichen Ort« (Apg 2,1). Eure Synode der Bischöfe der chaldäischen Kirche ist eine Zusammenkunft, die nach der Etymologie des Wortes eine besondere Art des Miteinander- Gehens ist, damit die Wege der verschiedenen Gemeinschaften zusammenlaufen. Sie ist eine Kundgebung der Kirche, die sich vom Geist führen läßt und danach trachtet, Gemeinschaft in ihrem Inneren wie auch mit der Gesamtkirche zu leben gemäß den Weisungen des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils (vgl. Orientalium Ecclesiarum, 9). Bei meiner Begegnung mit den Patriarchen der katholischen Ostkirchen am 29. September 1998, anläßlich der Vollversammlung der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, hatte ich betont: »Die bischöfliche Kollegialität wird in der kanonischen Ordnung eurer Kirchen in besonders bedeutsamer Weise ausgeübt. Die Patriarchen arbeiten in enger Verbindung mit ihren Synoden. Ziel jeder wahren ›Synodalität‹ ist die Eintracht zur Verherrlichung der Trinität in der Kirche« (Ansprache an die Patriarchen der katholischen Ostkirchen, Nr. 3). Die gesamte Kirchengeschichte zeigt, daß die Eintracht notwendig ist, um die Liebe, die die Kirche zu ihrem Bräutigam hat, auszudrücken und um vor den Menschen die barmherzige Liebe zu bezeugen, die Gott zu ihnen hat. Die Apostelgeschichte lehrt uns, daß nicht das Fehlen unterschiedlicher Meinungen, ja nicht einmal die Abwesenheit von Konflikten Voraussetzungen für das Entstehen der Eintracht sind, sondern vielmehr der brennende Wunsch der Kirche, dem Willen Gottes für sie zu gehorchen; dieser Wunsch wird genährt durch Gebet, gegenseitiges Zuhören, Offenheit für die Stimme des Geistes, Vertrauen untereinander. Somit läßt die Eintracht das Antlitz der Kirche jung und ohne Falten erscheinen und gestattet es dem Heiligen Geist, Unmögliches möglich zu machen.

3. Von Bischöfen sprechend, die er persönlich gekannt hat, zeichnet der hl. Ephräm von Nisibis [Ephräm der Syrer] ein gutes Porträt des Hirten der Herde Christi (vgl. Carmina Nisibena, 15–21). Welche Eigenschaften machen die geistliche Güte eines Bischofs aus? Die Rechtgläubigkeit der Lehre, die Wissenschaft und Kunst des Predigens, Askese und Sittsamkeit, eine Bescheidenheit, die jede Eifersucht verhindert, die Verachtung materieller Güter, die Suche nach Barmherzigkeit und Milde, aber mit Entschlossenheit im Handeln, wo es sich als notwendig erweist, geistliche Vaterschaft sowie Liebe zu den Heiligen Mysterien. Das ist die bleibende Aufforderung für jeden in dem ihm anvertrauten Amt, die die Hirten zu Zeugen macht durch ihr vorbildliches Leben und durch ihre Lehre.

4. Aufgabe des Bischofs ist es auch, die Priester seiner Eparchie, die seine Mitarbeiter sind, zu ermutigen und anzuspornen; um ihn herum bilden sie »einen kostbaren geistlichen Kranz« (vgl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Magnesier, 13). Die schmerzlichen Umstände, in denen viele Priester und Gläubige der chaldäischen Kirche leben, sind ein in diesem Jahr des Großen Jubiläums besonders angemessener Aufruf, die priesterlichen und christlichen Tugenden zu pflegen, um die Hoffnung zu bewahren. Mehr denn je hat das Presbyterium, das euch zur Seite steht, es nötig, durch euer Vorbild gestärkt zu werden, sich von euch unterstützt zu fühlen durch ein Leben brüderlicher Gemeinschaft und die Teilnahme an eurer apostolischen Sendung, von nahem einbezogen zu sein bei den pastoralen Vorhaben, die für die zu eurem Patriarchat gehörigen Gebiete und für die Diaspora ausgearbeitet wurden oder in Ausarbeitung begriffen sind.

5. Eure Kirche freut sich zu Recht über die bemerkenswerte Anhänglichkeit der Gläubigen an ihre Hirten. Die Laien tragen aufgrund ihrer Würde als Söhne und Töchter Gottes ebenfalls ihren Teil der Sendung der Kirche. Und so sagt das II. Vatikanische Konzil: »Die geweihten Hirten wissen sehr gut, wieviel die Laien zum Wohl der ganzen Kirche beitragen. Sie wissen ja, daß sie von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen, sondern daß es ihre vornehmliche Aufgabe ist, die Gläubigen so als Hirten zu führen und ihre Dienstleistungen und Charismen so zu prüfen, daß alle in ihrer Weise zum gemeinsamen Werk einmütig zusammenarbeiten« (Lumen gentium, 30). Diese Weisungen werden euch helfen bei euren Überlegungen und bei der Suche nach den für die euch anvertraute Sendung einzusetzenden Mitteln. So werden alle Mitglieder der chaldäischen Kirche – Patriarch, Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Laiengläubige – Tag für Tag Gottes große Taten verkünden und Zeugen des auferstandenen Christus sein können, ganz wie die erste Christengemeinde.

6. Die Nähe des Pfingstfestes lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf das Wirken des Heiligen Geistes im Volk Gottes. Der dem Herrn dargebrachte Kult ist die Mitte des Lebens der Kirche, und der Geist hat eine besondere Wirkung in der Gemeinschaft und im Herzen der Gläubigen. Erhaltet eure schöne liturgische Tradition lebendig, die es gestattet, die göttlichen Geheimnisse zu entdecken und zu leben, um das Leben in Fülle zu empfangen! Die Sakramente unseres Heils sind eine Quelle der Erneuerung für die Kirche. Diesbezüglich sagte der hl. Ephräm mit poetischen Worten: »Siehe das Feuer und den Geist im Schoß deiner Mutter, siehe das Feuer und den Geist in dem Fluß, worin du getauft wurdest. Feuer und Geist in unserer Taufe; im Brot und im Kelch Feuer und Heiliger Geist« (vgl. Ephräm der Syrer, Hymnen über den Glauben, 10, 17). Ihr seid aufgerufen, die Schätze eures liturgischen und geistlichen Erbes den Gläubigen eurer Kirche zu vermitteln und beizutragen, daß sie noch mehr verbreitet werden. Um ein solches Erbe gut weitergeben zu können, muß man es zuerst mit Liebe empfangen und in der eigenen Gemeinschaft daraus gelebt haben; denn was lebendig ist, ist ein Zeugnis vor den Augen der Welt.

7. Zum Abschluß unseres Treffens vertraue ich euch der Fürsprache Unserer Lieben Frau an. Möge die heilige Jungfrau Maria für euch Fürbitte halten, Väter dieser Synode der chaldäischen Kirche, die ich erneut mit ganz brüderlicher Zuneigung grüße. Mögt ihr dieselbe Herzenshaltung haben wie diese allheilige Mutter! »Kommt und laßt uns die ganz reine Jungfrau bewundern, ein Wunder für sich, einzigartig in der ganzen Schöpfung, hat sie geboren, ohne einen Mann gekannt zu haben, die reine Seele voll des Wunders. Jeden Tag erging ihr Geist sich in Lobpreisungen, denn er erfreute sich zweifachen Wunders: bewahrte Jungfräulichkeit, geliebtestes Kind! Gepriesen sei, der aus ihr erstrahlte!« (vgl. Hymnus über Maria, 7, 2; Ephräm dem Syrer zugeschrieben).

Ich bitte den Heiligen Geist, daß er euch begleite, damit eure Synode zahlreiche Früchte für die chaldäische Kirche bringe. Von ganzem Herzen gewähre ich euch den Apostolischen Segen, ausgedehnt auf eure Priester, eure Diakone, eure Ordensmänner und Ordensfrauen sowie das ganze Volk der Christen.

 

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