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 ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II. 
AN DIE PILGER, DIE ZUR SELIGSPRECHUNG VON 
JOSÉ APARICIO SANZ UND 232 MITMÄRTYRERN IN SPANIEN NACH ROM GEKOMMEN SIND

Montag, 12. März 2001

 

Liebe Brüder und Schwestern! 

1. Die Begegnung mit euch erfüllt mich mit Freude, liebe spanische Pilger, die ihr in Begleitung zahlreicher Bischöfe, Priester und Vertreter der zivilen Autoritäten eurer Städte und Regionen gestern an der feierlichen Seligsprechung von 233 Märtyrern teilgenommen habt. Es sind jene Männer und Frauen, die den Verfolgungen zum Opfer gefallen sind, denen die Kirche eurer Heimat in den Jahren von 1936 bis 1939 ausgesetzt war. Die gestrige Seligsprechung war die erste des neuen Jahrhunderts und neuen Jahrtausends, und bezeichnend ist, daß es sich hierbei um Märtyrer handelte. Denn, in der Tat fehlte es dem soeben zu Ende gegangenen Jahrhundert nicht an Situationen der Not und Bedrängnis, in denen viele Christen »für den amen Jesu Christi, unseres Herrn, ihr Leben eingesetzt haben« (vgl. Apg 15,26). 

Von Herzen grüße ich Kardinal Antonio María Rouco, den Erzbischof von Madrid und Präsidenten der Spanischen Bischofskonferenz, Kardinal Ricardo María Carles, den Erzbischof von Barcelona, Msgr. Agustín García-Gasco, den Erzbischof von Valencia – das ja die Heimatdiözese der meisten der neuen Seligen ist –, Msgr. Francisco Ciuraneta, Bischof von Lleida, sowie alle anderen hier anwesenden Erzbischöfe und Bischöfe. Herzlich willkommen heiße ich ferner die Amtsträger der autonomen Gemeinschaften, Provinzen und Gemeinden sowie die Vertreter jener Orte, die die neuen Seligen zu ihren bedeutenden Söhnen zählen. Diese neuen Märtyrer haben ihre Botschaft überall in Spanien verbreitet. Wenn wir ihre Herkunft betrachten, stellen wir fest, daß sie aus siebenunddreißig Diözesen stammen und dreizehn autonome Regionen vertreten, doch ihr Zeugnis umfaßt ganz Spanien. Somit war die gestrige Anerkennung für die gesamte spanische Kirche ein Anlaß zu großer Freude. 

2. Viele von uns sind Nachkommen, Angehörige oder Nachbarn der neuen Seligen. Unter den Anwesenden ist, wie mir berichtet wurde, die Witwe eines aktiven Mitglieds der Katholischen Aktion und zahlreiche Geschwister, Kinder und Enkel der Märtyrer. Einige von uns sind geistige Geschwister der seliggesprochenen Ordensleute. Andere wiederum stammen aus den gleichen Dörfern und Städten wie sie, aus jenen Orten, in denen sie ihren Dienst ausgeübt, wo sie ihr Martyrium erlitten haben oder beerdigt sind. Welche Emotionen muß dieser Moment, den ihr seit Jahren erwartet habt, in euch hervorrufen! Zweifellos hat euch ihr Beispiel in eurem Glaubensleben bestärkt, denn ihr habt ihr Andenken und mitunter auch persönliche Erinnerungen bewahrt. 

Mit zweihundertdreiunddreißig Märtyrern war die gestrige Seligsprechung die zahlenmäßig größte meines Pontifikats. Eine so große Anzahl darf jedoch die individuellen Charaktereigenschaften nicht in Vergessenheit geraten lassen. Alle Seliggesprochenen haben eine persönliche Geschichte, einen eigenen Vor- und Nachnamen sowie Lebensumstände, die jeden einzelnen von ihnen zu einem Vorbild für das Leben machen, das durch den freiwillig angenommenen Tod als höchster Beweis ihrer Treue zu Christus und seiner Kirche noch bedeutsamer wird. 

Diese Märtyrer, derer wir heute voller Dankbarkeit und Verehrung gedenken, sind wie eine große bildliche Darstellung des Evangeliums der Seligpreisungen, eine breitgefächerte Vielfalt der einen und universalen christlichen Berufung zur Heiligkeit (vgl. Lumen gentium, 5). Zum Lobpreis Gottes feierte die Kirche gestern die Seligsprechung dieser großen Schar von Märtyrern. 

Heiligkeit ist keineswegs ein Privileg, das nur einigen wenigen vorbehalten ist. Die Wege der Heiligkeit sind vielfältig und führen über die kleinen, konkreten Begebenheiten des Alltags, bei denen jede Situation in eine Tat der Liebe verwandelt wird, so wie dies die Märtyrer getan haben. Hierin liegt das Geheimnis eines in Fülle gelebten Christentums, eines wahrhaft lebendigen Christentums, zu dem alle Christen jedweden Standes oder Lebensumfeldes berufen sind. Wir alle sind zur Heiligkeit berufen. Das ist es, was Gott letztlich von uns will:unsere Heiligung (vgl. Thess 4,3). Liebe Brüder und Schwestern aus Spanien, in meinem Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte habe ich allen Gläubigen, ebenso wie nun auch euch, »mit Überzeugungskraft diesen ›hohen Maßstab‹ des gewöhnlichen christlichen Lebens« neu vor Augen gestellt. (31). Möge euer persönlicher Weg sowie der eurer Familien und Pfarrgemeinden mehr denn je ein Weg der Heiligkeit sein! 

3. So begegnen wir jungen und alten Priestern, die in den unterschiedlichsten Dienstbereichen eingesetzt waren:Pfarrer, Vikare, Kanoniker und Lehrer; Ordensleute, die durch ihre Arbeit als Erzieher und Lehrer, durch die Betreuung alter und kranker Menschen auf dem weiten Feld der Nächstenliebe tätig sind; Männer und Frauen, ledig oder verheiratet, Eltern, Berufstätige verschiedener Sektoren. Christus selbst ist der Ursprung ihres Martyriums und ihrer Heiligkeit. Der gemeinsame Nenner aller ist ihre radikale, alles – auch ihr eigenes Leben – übersteigende Entscheidung für Christus. Wie der hl. Paulus konnten auch sie sagen: »Denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn« (Phil 1,21). Mit ihrem Leben und insbesondere durch ihren Tod lehren sie uns, daß nichts jener Liebe vorgezogen werden darf, die Gott uns entgegenbringt und in Jesus Christus zum Ausdruck kommt. 

Wie stets in allen Märtyrern hat die Kirche auch in ihnen einen Samen des Lebens gefunden, und wir können mit Recht sagen, daß die ersten Gemeinden durch das Blut der Märtyrer geformt worden sind. Dennoch ist das Martyrium nicht nur eine Realität der Vergangenheit, sondern es gehört auch der heutigen Zeit an. In meinem jüngsten Apostolischen Schreiben merkte ich daher an:»Wird es nicht auch so sein für das Jahrhundert, ja das Jahrtausend, das wir gerade beginnen?« (Novo millennio ineunte, 41). 

Tatsächlich gibt es auch in unserer Zeit wieder Märtyrer. Die Zeiten haben sich sicherlich geändert, aber dennoch ergibt sich zweifellos jeden Tag die Möglichkeit, weiterhin aus Liebe zu Christus Leid und Schmerz erdulden zu müssen. Vor uns zeichnet sich somit ein weiter und begeisternder Horizont ab. Die Christen müssen stets und überall bereit sein, das Licht des Lebens, Christus, bis zur Hingabe des Blutes zu verbreiten (vgl. Dignitatis humanae, 14). Wir müssen bereit sein, den Spuren der Märtyrer zu folgen und wie sie die Heiligkeit mit Ihm, für Ihn und in Ihm in Fülle zu leben. 

Das Erbe dieser mutigen Zeugen des Glaubens, »mit Blut geschriebene Archive der Wahrheit« (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2474), hat uns einen Reichtum vermittelt, dessen Stimme stärker ist als die der beschämenden Gleichgültigkeit. Es ist eine Stimme, die eine dringende Präsenz im öffentlichen Leben einfordert. Eine lebendige und unbeschwerte Präsenz, die uns mit der leuchtenden Klarheit des Evangeliums dazu veranlaßt, auf natürliche, aber auch standhafte Weise ihre stets aktuelle Radikalität den Menschen unserer Zeit nahezubringen. 

Es handelt sich also um ein Erbe, dessen Sprache diejenige des Zeugnisses ist. Möge dieser Reichtum durch euer Leben und euren Einsatz stets reiche Früchte tragen und die außerordentliche Gegenwart des göttlichen Mysteriums zum Ausdruck bringen, das uns –immerfort und überall wirkend –zur Versöhnung und zum neuen Leben in Christus aufruft! 

4. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr Zeugnis kann und darf nicht vergessen werden. Sie verdeutlichen die Vitalität eurer Ortskirchen. Möge ihr Beispiel einen jeden zu einem lebendigen und glaubhaften Zeugen der Frohen Botschaft für die neue Zeit machen! Möge das Nacheifern ihres Beispiels reiche Früchte der Liebe und Hoffnung in der heutigen Gesellschaft hervorbringen! Dies ist mein Wunsch und meine Hoffnung. 

Fördert die Kultur des Lebens, mit Worten, aber auch durch konkretes Handeln. Euer Gebet für die radikale und aufrichtige Bekehrung aller zum Gesetz der Liebe und der besondere und hochherzige Einsatz für dieses Ziel sind die Grundlage des Zusammenlebens von Menschen, Familien und Völkern. Kehrt zurück in eure Städte und Dörfer und in eure Gemeinschaften mit der Bereitschaft zum apostolischen Wirken in der Kirche und für die Kirche. 

Laßt in eurer Heimat die Seligpreisungen zur Realität werden.Durchdringt die tägliche Wirklichkeit mit dem einen Programm des Evangeliums, dem Programm der Liebe. Bringt Christus in euer Leben, in eure Gemeinschaft, in eure Dörfer und eure Geschichte. Seid stets und überall lebendige und glaubhafte Zeugen der Liebe, der Einheit und des Friedens. Stets begleite euch bei dieser Aufgabe mein Gebet, meine Zuneigung und mein Segen, den ich euch von Herzen erteile.

 



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