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AUDIENZ VON JOHANNES PAUL II.
FÜR DEN NEUEN BOTSCHAFTER DES 
KÖNIGREICHES BEGLIEN BEIM HL. STUHL

Donnerstag, 31. Oktober 2002

 

Herr Botschafter!

1. Mit Freude empfange ich Eure Exzellenz heute im Vatikan zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter des Königreichs Belgien beim Hl. Stuhl akkreditiert werden, und ich danke Ihnen herzlich für die Übermittlung der freundlichen Worte Seiner Majestät König Albert II. Ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie ihrerseits Seiner Majestät meine besten Wünsche für seine Person, für Königin Paola, für Königin Fabiola und Prinz Philipp sowie für das ganze belgische Volk übermitteln würden.

2. Wie Sie in Erinnerung gerufen haben, war Belgien von Anfang an am europäischen Projekt beteiligt und hat es auch in den folgenden Etappen seiner Entwicklung immer zielstrebig unterstützt. Dies hat dem alten Kontinent, der im Lauf seiner Geschichte so viele Spaltungen und Bruderkriege durchlebt hat, ermöglicht, Mittel zu finden für einen dauerhaften Frieden und eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Nationen, aus denen sich der Kontinent zusammensetzt. Die Europäische Union bildet heute auf internationaler Ebene eine Instanz des Dialogs und der Zusammenarbeit, was ein deutlicher Aufruf für viele Völker der Welt ist, die nach Entwicklung und Frieden streben. Ich freue mich zu erfahren, daß Ihr Land den gegenwärtigen Erweiterungsprozeß ermutigt und unterstützt, so daß die wachsende Integration der Länder Zentral- und Osteuropas in die Union ermöglicht wird, als Verheißung einer neuen Zukunft für alle.

Herr Botschafter, Sie wissen, daß der Aufbau Europas, der sich nach und nach vor unseren Augen vollzieht, die Willenskraft und Entschlossenheit der staatlichen Autoritäten braucht, die, beseelt vom Wunsch, die Union auf die Grundlage gemeinsamer Werte zu stellen, jene christlichen Wurzeln der verschiedenen Völker zur Kenntnis nehmen, die eine unwiderlegbare Wirklichkeit der europäischen Geschichte und Kultur sind. In der Tat ist der entscheidende Beitrag, den das Christentum und die christliche Sicht vom Menschen für die Geschichte und die Kultur der verschiedenen Länder geleistet haben, ein Teil des gemeinsamen Erbes, und es scheint daher folgerichtig, daß diese Tatsache in das Projekt der europäischen Verfassung einbezogen wird.

Darüber hinaus ist es wichtig, daß die Existenz und die Handlungsfreiheit der Kirchen und religiösen Bekenntnisse anerkannt wird, wie dies im übrigen schon in den Verfassungen vieler europäischer Länder der Fall ist.

3. Angesichts der großen Spannungen, von denen die Welt zu Beginn dieses neuen Jahrtausends gezeichnet ist, brauchen die Verantwortlichen der Nationen eine feste Entschlossenheit, um wirksam den Terrorismus zu bekämpfen, um die Gegensätze zwischen den Völkern durch den Dialog und durch Abkommen zu verringern, aber auch um die zahlreichen Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, die Groll, Haß und Gewalt hervorrufen. In diesem Zusammenhang, Herr Botschafter, lege ich Wert darauf, die erneute Aufmerksamkeit Ihres Landes gegenüber den Ländern des afrikanischen Kontinents zu begrüßen, besonders in der Region der Großen Seen, zu denen Sie feste ökonomische und kulturelle Verbindungen haben und in denen es große Spannungen gab und noch immer gibt. Es ist gut, daß Länder wie das Ihre sich dafür einsetzen, diesen jungen Staaten zu helfen, ihre inneren Krisen und die Konflikte, die sie in Gegensatz zueinander bringen, zu überwinden. Sie tun das durch die angemessene Begleitung bei der Schaffung politischer, ökonomischer und sozialer Strukturen, besonders durch die Ausbildung von Führungspersonal und durch die Anleitung zu einer anspruchsvollen, aber konstruktiven Dialogpraxis zwischen allen Beteiligten. Der Hl. Stuhl schätzt diesen Beitrag zum Frieden wie auch die Bemühungen um Solidarität, die Ihr Land auf weltweiter Ebene gegenüber den Ärmsten zeigt.

4. Die Kirche hat der Jugend immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt, indem sie viele Werke ins Leben gerufen hat, die sich diesem Apostolat widmen. Dies gilt besonders für Belgien, wo die Katholiken aktiv an der Erziehung der Kinder und Jugendlichen mitwirken und es zahlreiche konfessionsgebundene Schulen gibt.

Die jüngere Vergangenheit hat oft in dramatischer Weise gezeigt, wie notwendig in unseren entwickelten Gesellschaften der Schutz der Kinder ist und die Zusicherung, daß die Erziehung im Dienst an der ganzheitlichen Entwicklung ihrer Persönlichkeit steht, sowohl in den Familien als auch in der Schule. Deshalb ist es wichtig, den sexuellen Mißbrauch von Kindern auf das schärfste zu verurteilen. Es muß auch eine mutige Politik der Förderung von Familien verfolgt werden, um ihnen bei ihrem Erziehungsauftrag zu helfen, besonders durch die Unterstützung der Institution der Ehe. Als grundlegende Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ermöglicht die Eheschließung der Familie, ein stabiler und harmonischer Ort für die Entfaltung der Kinder zu sein, die auf die affektiven Bindungen in bezug auf die Personen des Vaters und der Mutter aufgebaut ist. Außerdem ist es notwendig, an die Verantwortung der Erzieher zu erinnern und sie zu würdigen, indem man die schwierige Aufgabe anerkennt, die sie im Namen der ganzen Gesellschaft bei der menschlichen, moralischen und geistigen Bildung der Bürger von morgen auf sich nehmen. Gestützt auf ihre lange Erfahrung auf diesem Gebiet, möchte die Kirche weiterhin gerne ihren Beitrag zu dieser anspruchsvollen und begeisternden Aufgabe der ganzen Gesellschaft leisten.

5. Der Mensch, von Gott geschaffen und dazu berufen, an seinem göttlichen Leben teilzuhaben, stand schon immer im Zentrum des christlichen Weltbildes, und deshalb achtet und verteidigt die Kirche das Geschenk des Lebens. Wie könnte sie ihre tiefe Beunruhigung und Mißbilligung gegenüber den vor kurzem in verschiedenen Ländern verabschiedeten Gesetzen verschweigen, die die aktive Sterbehilfe legalisieren und sich dadurch zum Herrn über Leben und Tod machen? In einer Gesellschaft, in der allzu oft nur die gute Gesundheit und die Wirtschaftlichkeit zu zählen scheinen, ist es wichtig, die Menschen, die gebrechlich oder am Ende ihres Lebens angelangt sind, aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Zugleich weiß man die Entwicklung und den Einsatz von palliativen Maßnahmen für all jene Kranken zu schätzen, bei denen die Situation es erfordert; Maßnahmen, die es erlauben, den Schmerz zu lindern und die Sterbenden in Würde zu begleiten. Die Anerkennung der heiligen und unverletzlichen Natur jeder menschlichen Person, die ihr von ihrem Schöpfer geschenkt worden ist, ist in der Tat der einzige wirkliche Schutz vor den immer möglichen Verletzungen ihrer Würde und ihrer Rechte. Eine Gesellschaft, die es riskieren würde, diese Fundamente in Frage zu stellen, würde sich sehr großen Gefahren aussetzen;insbesondere würde sie Gefahr laufen, das Recht der Personen und die fundamentalen Werte allein vom allgemeinen Konsens, der immer einer Entwicklung unterliegt, abhängig zu machen. Der Respekt vor jeder menschlichen Person, in jeder Phase ihrer Existenz, ist darüber hinaus ein wesentliches Element der Erziehung zum Frieden und zur Gerechtigkeit, und ich wünsche, daß die Verantwortlichen in der Politik, aber auch die Erzieher und alle, die damit beauftragt sind, das Verantwortungsbewußtsein der Bürger wachzuhalten, die Größe dessen ermessen, was hier auf dem Spiel steht, und für die Sache des Lebens aktiv werden. Was die Kirche betrifft, spürt sie die dringende Pflicht einzugreifen, gelegen oder ungelegen, wie der Apostel sagt, damit das Wort des Evangeliums des Lebens gehört und die Gewissen erleuchtet werden.

6. Durch Ihre Vermittlung möchte ich den Christen und ihren Hirten in Belgien meine Grüße bestellen und ihnen Mut zusprechen. Ich schätze die Aufmerksamkeit, die sie der Arbeit der Missionare schenken, die durch Priester und Laien aus Belgien geleistet wird, die nach dem Vorbild von Pater Damian die Zeugen der Liebe Gottes bis an die Grenzen der Erde sind. Es möge mir auch gestattet sein, an Bischof Jean Huard zu erinnern, der vor kurzem gestorben ist. Vor dem Hintergrund einer immer stärkeren Säkularisierung der Gesellschaft müssen die Katholiken heute ohne Angst und ohne Komplexe die Kraft des Zeugnisses in Wort und Tat wiederfinden. Ich weiß, daß sie sich im sozialen Bereich tatkräftig einsetzen, im Kontakt mit der Jugend, den Migranten, den Behinderten und Menschen in Not. Ich möchte Sie dazu einladen, diesen Einsatz im Dienst Ihrer Landsleute fortzuführen. Ich möchte Sie außerdem dazu ermutigen, in diesen Bereichen mit den Christen anderer Konfessionen zusammenzuarbeiten, um die Beziehungen zu intensivieren, durch die sie schon verbunden sind, und um zu zeigen, daß der Geist der Einheit am Werk ist. Sie sollen keine Furcht haben, für Christus, die Quelle ihres Glaubens, den neuen Menschen und das wahre Antlitz der Liebe Gottes, Zeugnis abzulegen!

7. Herr Botschafter, Sie beginnen heute Ihre edle Aufgabe, das Land Belgien beim Hl. Stuhl zu repräsentieren. Nehmen Sie meine besten Wünsche entgegen für ein glückliches Gelingen, und seien Sie stets gewiß, hier bei meinen Mitarbeitern aufmerksames Entgegenkommen und herzliches Verständnis zu finden!

Auf Sie selbst, Ihre Familie, die Mitarbeiter der Botschaft und auf alle Ihre Landsleute rufe ich von ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.

 

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