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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN HERRN,
Raúl Roa Kourí,
BOTSCHAFTER VON KUBA BEIM HL. STUHL

Samstag, 8. Januar 2005

 

Herr Botschafter!

1. Es ist mir eine Freude, Sie aus Anlaß der Überreichung des Beglaubigungsschreibens zu begrüßen, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Kuba beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich danke für Ihre liebenswürdigen Worte sowie für die Grüße von Dr. Fidel Castro Ruz, dem Vorsitzenden des Staatsrates und der Regierung der Republik, und ersuche Sie, ihm meine Wünsche für seine Gesundheit sowie meine Wünsche für das Wohlergehen der ganzen geliebten kubanischen Nation zu überbringen. Für diese Nation bitte ich Gott auf die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau, die in Ihrem Land mit der schönen Anrufung »Unsere Liebe Frau von der Liebe« in El Cobre verehrt wird, daß die Gefühle gegenseitigen Verständnisses und echter Brüderlichkeit wachsen mögen und es dadurch möglich wird, daß das Vaterland tatsächlich ein Haus und ein Werk aller sei.

2. Gleichzeitig kann ich Ihnen sagen, daß ich mit Interesse das Bestreben der kubanischen Behörden verfolge, die unter großen Anstrengungen erreichten Ziele auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, des Bildungswesens auf den verschiedenen Ebenen und der Kultur in ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Heilige Stuhl ist der Auffassung, daß durch die Sicherstellung dieser Voraussetzungen des menschlichen Lebens einige Säulen des Gebäudes des Friedens entstehen, der ja nicht nur Abwesenheit von Krieg ist, sondern auch einschließt, daß sich alle Glieder einer Gesellschaft der vollen menschlichen Förderung in Gesundheit und harmonischem Wachstum von Körper und Geist erfreuen können.

Ebenso ist es der lebhafte Wunsch des Heiligen Stuhls, daß möglichst bald die Hindernisse überwunden werden können, die die freie Kommunikation und den Austausch zwischen der kubanischen Nation und einem Teil der internationalen Gemeinschaft behindern; durch einen respektvollen und offenen Dialog mit allen sollen so die notwendigen Voraussetzungen für eine authentische Entwicklung gefestigt werden.

3. Kuba zeichnet sich seinerseits durch einen Geist der Solidarität aus, den es mit der Entsendung von Personal und Hilfsgütern angesichts akuter Notsituationen verschiedener Völker bei Naturkatastrophen, Konflikten oder Armut unter Beweis gestellt hat. Die kirchliche Soziallehre hat sich in den letzten Jahren bemerkenswert weiterentwickelt, um genau die Situationen, die diese solidarische Dimension erfordern, unter dem Aspekt der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu beleuchten. In dieser Hinsicht bemüht sich die Kirche in Kuba, die durch die Glaubensverkündigung und den Geist eines aufrichtigen und wirksamen Dienstes am kubanischen Volk präsent ist, diese soziale Lehre nicht nur mit Worten, sondern auch durch ihre Bemühungen und konkreten Taten greifbar zu machen. Die Gesamtheit von Werten und Angeboten, die die Lehre und die sich aus ihr ergebende soziale Tätigkeit der Kirche ausmachen, gehören zu ihrem Evangelisierungsauftrag und infolgedessen zu ihrer Identität.

Damit das Wirken der Kirche im Schoß des kubanischen Volkes für die Förderung des Gemeinwohls noch wirksamer wird, ist es nötig, daß die Kirche in einem Klima echter religiöser Freiheit (vgl. Dignitatis humanae, 13) die bereits bestehenden Solidaritätsbande zu anderen Schwesterkirchen aufrechterhalten und verstärken kann, die nicht zögern, ihr großzügig auf vielfältige Weise – besonders durch die Bereitstellung von Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen – zu helfen. Sie unterstützen die Arbeit der katholischen Kirche in Kuba, deren Glieder Teil des kubanischen Volkes sind und zugleich in Verbundenheit, Gemeinschaft und Einklang mit dem Apostolischen Stuhl leben.

4. Im Grunde legt die Kirche in jeder pluralistischen Gesellschaft ihre Wegweisungen und Angebote vor, die bei jenen, die den Glauben teilen, und bei jenen, die sich nicht zu ihm bekennen, zu unterschiedlichen Standpunkten führen können. Diese Meinungsunterschiede müssen keineswegs eine soziale Konfliktsituation auslösen, sondern sollen vielmehr einen konstruktiven und umfassenden Dialog fördern. Diesbezüglich gibt es Themen, anhand derer die Kirche in Kuba die soziale Wirklichkeit beleuchten möchte, wie zum Beispiel die umfassende Problematik, die mit der Förderung der Menschenwürde in Zusammenhang steht; die Berücksichtigung der tatsächlichen Situation der Familien und der Erziehung der jungen Generationen in einer Kultur des Friedens, des Lebens und der Hoffnung; das komplexe Verhältnis zwischen der Wirtschaft und den geistigen Werten; die umfassende Achtung der menschlichen Person – das sind die Aspekte, bei denen es dringend eines Dialogs mit allen Gruppen bedarf, aus denen sich das kubanische Volk zusammensetzt.

5. Herr Botschafter, nun da Sie Ihre Funktion an der Spitze dieser diplomatischen Mission beginnen, möchte ich Ihnen gegenüber die volle Bereitschaft des Heiligen Stuhls und der Kirche in Kuba in ihrem Willen bekräftigen, den Dienst an den Männern und Frauen, die in Ihrem Land leben, beharrlich fortzusetzen sowie etwaige Differenzen auf dem Weg eines konstruktiven Dialogs zu überwinden. Ich wiederhole meinen Gruß an die kubanischen Autoritäten und rufe auf Sie, Ihre Familie und Ihre Mitarbeiter sowie auf die ganze kubanische Nation, an die ich mich immer voll Liebe erinnere, den Beistand Gottes und die Fülle seines Segens herab.


*L'Osservatore Romano 2005 n. 3 p. 10.

 

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