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PIUS PP. XII

LETTERA A MONSIGNOR GIUSEPPE FREUNDORFER,
NEL MILLENARIO DELLA BATTAGLIA DI LECHFELD
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Sie haben, ehrwürdiger Bruder, Uns eingehend berichtet über das Jahrtausendgedächtnis der Schlacht auf dem Lechfeld, vor dem Ihre Bischofsstadt unmittelbar steht, und Uns das reichhaltige Programm vorgelegt das aus der Jubiläumsfeier « Tage abendländischen Bekenntnisses » gestalten und sie mit einem «grossen katholischen Bekenntnistag» abschliessen will. Für diese Festwoche und für alle mit ihrem Geist sich Erfüllenden bitten Sie Uns um die Kraft des Apostolischen Segens.

Zu Tagen abendländischen Bekenntnisses—heute, wo die abendländische Kultur unter schwerster Bedrohung steht, ist die Erinnerung an die Schlacht auf dem Lechfeld wie geschaffen. Augsburg, die alte Augusta Vindelicorum, hat aus dem Altertum aufsteigend den wechselvollen Weg der abendländischen Geschichte über das Mittelalter in die neue und neueste Zeit zurückgelegt. In Ulrich, dem grossen und heiligen Bischof, ist die innere Kraft des christlichen Abendlandes, der katholische Glaube, das Beten und das Schaffen religiöser und kultureller Werte aus diesem Glauben eindrucksvoll verkörpert. Der Sieg der Königs und nachmaligen Kaisers Otto des Grossen über die Ungarn aber hat das christliche Abendland vor einer unheimlichen Gefahr aus dem heidnischen Osten gerettet. Die Schlacht auf dem Lechfeld steht in einer Linie mit dem Kampf und Sieg Karl Martens, zwischen Tours und Poitiers im Jahre 732, wie auch mit dem glazvollen Sieg unter den Mauern Wiens im Jahre 1683 durch Karl von Lothringen und den Polenkönig Sobieski, damals als es Papst Innozenz XI. und Kaiser Leopold geglückt war, einen europäischen Schutzwall gegen jene furchtbare Bedrohung des christlichen Abendlandes zu errichten.

Die katholische Kirche ist nicht eins mit der abendländischen Kultur. Sie macht sich überhaupt nicht eins mit irgend einer Kultur; wohl aber ist sie bereit, mit jeder Kultur einen Bund zu schliessen: sie erkennt gerne an, was in jeder dem Werk des Schöpfers nicht widersprechend, was mit der Würde des Menschen und seinen naturgegebenen Rechten und Pflichten vereinbar ist, pflanzt aber darüber hinaus den Reichtum der Wahrheit und Gnade Jesu Christi in sie ein und erreicht dadurch, dass die verschiedenen Kulturen, so fremd sie sich gegenüberzustehen schienen, einander nahe kommen und wirklich Schwestern werden. Die Geschichte der Mission und Ausbreitung des Christentums und der Kirche von den Zeiten der Völkerwanderung bis heute ist ein überzeugender Beweis für den Segen, der von der katholischen Kirche auf die Kulturen ausgeht. In diesem Sinne ist auch die Kirche für die Erneuerung und Stärkung der abendländischen Kultur.

Damit ist schon ausgesprochen, worin die Erneuerung der abendländischen Kultur beschlossen liegt; eben darin, dass der abendländische Mensch die Wahrheit und Gnade Christi von neuem bejaht, bekennt, in sich aufnimmt und zur lebendigen Grundlage des gesamten Daseins macht. In der Auseinandersetzung mit der neuen Lebensform des materialistischen Ostens behauptet das Abendland, für die Menschenwürde und die Menschenrechte, an erster Stelle für die Freiheit des Einzelnen einzustehen. Er möge aber nicht übersehen, dass die Würde und die Rechte des Menschen — seine persönliche Freiheit ganz besonders — sich gegen ihn wenden, ja dass sie sich selbst aufheben, wenn sie nicht genommen werden in Einheit mit den Bindungen, den Pflichten, mit denen die Ordnung der Natur wie der Gnade sie unlöslich verknüpft hat und die im Gebot Gottes und Gesetz Christi dem Menschen entgegentreten. Eine Tagung wie die in Augsburg wird nicht an der Frage vorbeigehen dürfen, wie viele Männer und Frauen das Abendland noch zählt, denen für die Heilighaltung jener Bindungen kein Einsatz zu hoch ist.

Die Stadt Augsburg gedenkt im laufenden Jahr noch eines anderen folgenschweren Ereignisses, das sich in ihren Mauern abgespielt hat: der am 25. September 1555 geschehenen Unterzeichnung des sogenannten « Augsburger Religionsfriedens ». Er besiegelte die religiöse Spaltung Deutschlands. Das Gemeinwohl des Reiches wie der Kirche, für die es um Sein oder Nichtsein innerhalb der deutschen Grenzen ging, rechtfertigte die Unterschrift der katholischen Fürsten unter den Religions- vertrag. Man wird es Uns aber nicht verdenken, wenn Wir im Bruch der religiösen Einheit Deutschlands und Europas das schwerste Verhängnis erblichen, welches das christliche Abendland und seine Kultur treffen konnte. Dürfen Wir in Erinnerung an jenen Tag der Hoffnung Ausdruck verleihen, der Weg, den die Göttliche Vorsehung das Abendland weist, möge wieder mehr und mehr an die verlorene Einheit heranführen? Denn Wir können nicht umhin, für das Abendland zu wiederholen, was Wir vor gerade drei Jahren von der europäischen Kultur erklärten, dass sie nämlich « unverfälscht christlich und katholisch sein, oder aber verzehrt werden wird vom Steppenbrand jener anderen materialistischen, der nur die Masse und die rein physische Gewalt etwas gelten » (Schreiben vom 17. Juli 1952 an den Katholischen Frauenbund - Acta Ap. Sedis 44, 1952, pag. 720).

Die letzten Worte führen Uns zurück zum Sieg des christlichen Heeres auf dem Lechfeld. Die Krönung jenes Sieges war keineswegs die Vernichtung der heidnischen Ungarn, sondern ihre Bekehrung zum katholischen Glauben. Schon fünfzig Jahre später sind sie vom ihrem grossen König Stephan dem Heiligen hineingeführt worden in eben jene christliche Kultur, deren tödliche Gefahr sie noch im Jahre 955 gewiesen waren. Möchte dieser Vorgang ein Vorzeichen für heute sein! Der echte christliche Abendländer hegt gegenüber den Völkern des Ostens, die im Machtbereich der mit Staatsgewalt ausgerüsteten materialistischen Weltanschauung leben, Gedanken des Friedens und der Liebe. Wenn die Frage der Koexistenz die Geister unentwegt beschäftigt, so können Wir eine Art der Koexistenz rückhaltlos bejahen: Die gläubigen Abendländer beten gemeinsam mit denen jenseits des Eisernen Vorhangs, die noch ihre Hände zu Gott erheben — und es sind nicht wenige, dass wir alle eins werden in der vollen Freiheit, das persönliche wie das öffentliche Leben ganz nach Gottes Willen auszurichten, und dass jene, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, eine Welt ohne Gott und Christus aufzubauen, aus der Nacht und Kälte ihrer Gottferne zurückfinden zur Sonne der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe : zu Jesus Christus, « der da ist über allem Gott, hochgelobt in Ewigkeit » (Rom. 9, 5).

Dass Gottes Huld und Gnade über den Augsburger Tagen abendländischen Bekenntnisses walte, dass sie das Denken schärfe und das Wollen kräftige für die Kernaufgaben eines eindeutig christlichen Abendlandes, als Unterpfand dessen erteilen Wir allen an den Arbeiten und Feiern der Festwoche Teilnehmenden aus der Fülle des Herzens den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, den 27. Juni 1955.

PIUS PP. XII


*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, XVII,
  Diciassettesimo anno di Pontificato, 2 marzo 1954 - 1° marzo 1955, pp. 641 - 644
  Tipografia Poliglotta Vaticana

 



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