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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DER ITALIENISCHEN VEREINIGUNG
LANDWIRTSCHAFTLICHER DIREKTERZEUGER (COLDIRETTI)

Samstag, 31. Januar 2015

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Herzlich heiße ich Sie willkommen aus Anlass des 70. Jahrestags der Gründung der »Nationalen Vereinigung Landwirtschaftlicher Direkterzeuger«. Ich danke Ihrem Präsidenten für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Mein Gruß gilt auch dem nationalen kirchlichen Berater sowie den hier anwesenden kirchlichen Beratern auf Regionalebene, Zeichen der besonderen Aufmerksamkeit, die die Kirche eurer Tätigkeit widmet.

Der Name Direkterzeuger [ital. »coltivatori diretti «] nimmt Bezug auf das Wort »kultivieren«, was eine für den Menschen charakteristische und grundlegende Tätigkeit ist. In der Arbeit der Landwirte ist in der Tat die Annahme des wertvollen Geschenks der Erde enthalten, die uns von Gott gegeben wurde, aber auch ihre Nutzung durch die ebenso wertvolle Tätigkeit von Männern und Frauen, die gerufen sind, mutig und kreativ den Auftrag zu erfüllen, der von jeher an den Menschen erging, nämlich die Erde zu bebauen und zu hüten (vgl. Gen 2,15). Das Verb »kultivieren« lässt an die Sorge denken, die der Landwirt für sein Land trägt, damit es Frucht bringt und diese Frucht geteilt wird: wie viel Leidenschaft, wie viel Aufmerksamkeit und wie viel Hingabe liegen darin! Es entsteht eine vertraute Beziehung und die Erde wird zur »Schwester« Erde.

Denn ohne die Kultivierung der Erde gibt es keine Menschlichkeit; es gibt kein gutes Leben ohne die Nahrung, die sie für die Männer und Frauen jedes Kontinents hervorbringt. Die Landwirtschaft zeigt so ihre zentrale Rolle. Die Arbeit derer, die die Erde bebauen und großherzig Zeit und Energie einsetzen, erweist sich als eine wahre Berufung. Sie verdient es, anerkannt und angemessen geschätzt zu werden, auch bei den konkreten politischen und ökonomischen Entscheidungen. Es geht darum, die Hindernisse zu beseitigen, die eine so wertvolle Tätigkeit belasten und sie für die jungen Generationen als wenig erstrebenswert erscheinen lässt, auch wenn statistisch gesehen eine wachsende Zahl von Studenten in den Schulen und Instituten für Agrarwissenschaft zu verzeichnen ist, was eine Zunahme der Arbeitnehmer im Agrarsektor voraussehen lässt.

Zugleich muss man dem bereits zu sehr verbreiteten Phänomen, dass der Landwirtschaft Boden entzogen wird, um ihn scheinbar gewinnbringenderen Tätigkeiten zuzuführen, die entsprechende Aufmerksamkeit widmen (vgl. Italienische Bischofskonferenz, Botschaft zum Erntedankfest, 9. November 2014). Auch hier herrscht der Götze Geld! Es ist wie bei jenen Menschen, die keine Gefühle kennen, die die Familie verkaufen, die Mutter verkaufen, aber hier geht es um die Versuchung, die Mutter Erde zu verkaufen. Diese Reflexion über die zentrale Stellung der landwirtschaftlichen Arbeit lenkt unseren Blick auf zwei kritische Bereiche: der erste ist der der Armut und des Hungers, von denen immer noch ein großer Teil der Menschheit betroffen sind. Das Zweite Vatikanische Konzil hat an die allgemeine Bestimmung der Güter erinnert (vgl. Gaudium et spes, 69), jedoch schließt in Wirklichkeit das herrschende ökonomische System viele vom Genuss dieser Güter aus. Die Verabsolutierung der Marktgesetze, eine verschwenderische Wegwerfkultur, die im Fall der Nahrung inakzeptable Ausmaße erreicht hat, verursachen zusammen mit anderen Faktoren Leid und Elend in vielen Familien. Das System der Nahrungsmittelproduktion und -verteilung ist folglich grundlegend zu überdenken. Wie unsere Großeltern uns gelehrt haben, muss man mit Brot ehrfürchtig umgehen! Ich erinnere mich, dass man uns als Kind gelehrt hat, heruntergefallenes Brot aufzuheben, es zu küssen und wieder auf den Tisch zu legen. Das Brot hat in gewisser Weise teil an der Heiligkeit des menschlichen Lebens und deshalb darf es nicht nur wie eine Ware behandelt werden (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 52-60).

Aber – um zum zweiten kritischen Bereich zu kommen – genauso wichtig ist es, daran zu erinnern, dass das Buch Genesis, zweites Kapitel, Vers 15 nicht nur von der Berufung des Menschen spricht, die Erde zu bebauen, sondern auch von der Berufung, sie zu hüten. Beides ist im Übrigen eng miteinander verbunden: Jeder Landwirt weiß sehr gut, wie viel schwieriger es geworden ist, das Land zu bebauen in einer Zeit der schnellen klimatischen Veränderungen und der extremen Wetterphänomene, die sich immer mehr verbreiten. Wie kann man weiterhin gute Nahrung für das Leben aller produzieren, wenn die Klimastabilität in Gefahr ist, wenn die Luft, das Wasser und der Erdboden durch Verschmutzung ihre Reinheit einbüßen?

Wir werden uns tatsächlich bewusst, wie wichtig das rechtzeitige Handeln zur Bewahrung der Schöpfung ist. Es ist wirklich dringend notwendig, dass es den Nationen gelingt, im Hinblick auf dieses grundlegende Ziel zusammenzuarbeiten. Die Herausforderung ist: Wie kann man eine umweltverträgliche Landwirtschaft betreiben? Wie kann man bewirken, dass unsere Kultivierung der Erde zugleich auch ihr Hüten ist? Denn nur so werden die zukünftigen Generationen sie bewohnen und bebauen können.

Angesichts dieser Fragen möchte ich eine Aufforderung aussprechen und einen Vorschlag machen. Die Aufforderung ist, jene Liebe zur Erde als »Mutter« – würde der heilige Franziskus sagen – wiederzufinden, von der wir alle genommen sind und zu der zurückzukehren wir unaufhörlich gerufen sind. Und daraus ergibt sich auch der Vorschlag: die Erde hüten, ein Bündnis mit ihr schließen, damit sie weiterhin Quelle des Lebens für die gesamte Menschheitsfamilie sein kann, wie Gott es will. Das richtet sich gegen die Ausbeutung der Erde, als wäre sie etwas, das keine Beziehung zu uns hat – nicht mehr die Mutter –, und dagegen, sie dann schwach werden zu lassen und aufzugeben, weil sie zu nichts mehr nütze ist.

Es ist gerade die Geschichte dieses Bündnisses, die Ihre Tradition täglich verkörpert: die Geschichte einer sozialen Landwirtschaft mit einem menschlichen Antlitz, bestehend aus tragfähigen und vitalen Beziehungen zwischen Mensch und Erde. Vitale Beziehungen: Die Erde schenkt uns die Frucht. Aber die Erde hat auch eine Qualität für uns: Sie hütet unsere Gesundheit, die Erde ist Schwester und Mutter, die pflegt und heilt. Die ethische Inspiration, die Ihr Handeln im Licht der katholischen Soziallehre motiviert und stützt, rückt seit den Anfängen die Aufgabe der »Coldiretti « in die Nähe der Sendung der Kirche, und ihre Zusammenarbeit hat für die gesamte italienische Gesellschaft viele gute Früchte getragen. Liebe Freunde, ich hoffe, dass Ihre Arbeit, die Erde zu bebauen und zu hüten, entsprechend berücksichtigt und geschätzt wird. Und ich lade Sie ein, den ethischen Grundsätzen, mit denen Sie als Christen die Probleme und Herausforderungen Ihrer Tätigkeit angehen, stets Vorrang zu geben.

Ich bitte Sie, für mich zu beten, und segne Sie von Herzen.

 



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