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APOSTOLISCHE REISE
IN DEN LIBANON
(14.-16. SEPTEMBER 2012)

HEILIGE MESSE UND ÜBERREICHUNG DES
NACHSYNODALEN
APOSTOLISCHEN SCHREIBENS
FÜR DEN NAHEN OSTEN

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Beirut City Center Waterfront
Sonntag, 16. September 2012

[Video]

 

Liebe Brüder und Schwestern!

»Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus !« (Eph 1,3). Gepriesen sei er am heutigen Tag, wo ich die Freude habe, hier bei euch im Libanon zu sein, um den Bischöfen der Region das Nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Medio Oriente zu übergeben! Ich danke Seiner Seligkeit Bechara Boutros Raï herzlich für seine liebenswürdigen Grußworte. Ich begrüße die anderen Patriarchen und Bischöfe der orientalischen Kirchen, die lateinischen Bischöfe der benachbarten Regionen sowie jene Kardinäle und Bischöfe, die aus anderen Ländern hierhergekommenen sind. Ich begrüße euch alle ganz herzlich, liebe Brüder und Schwestern, die ihr aus dem Libanon und auch aus den Ländern dieser ganzen geschätzten Region des Nahen Ostens gekommen seid, um mit dem Nachfolger des Petrus den gekreuzigten, gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus Christus zu feiern. Ich richte meinen ehrerbietigen Gruß auch an den Präsidenten der Republik und an die libanesischen Autoritäten, an die Verantwortlichen und an die Mitglieder der anderen religiösen Traditionen, die hier in dieser Morgenstunde anwesend sind.

An diesem Sonntag, wo uns das Evangelium nach der wahren Identität Jesu fragt, sehen wir uns mit den Jüngern auf die Straße versetzt, die zu den Dörfern der Gegend von Cäsarea Philippi hinaufführt. »Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« (Mk 8,29), fragt sie Jesus. Der für diese Fragestellung gewählte Zeitpunkt ist nicht ohne Bedeutung. Jesus befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt seines Lebens. Er geht hinauf nach Jerusalem, an den Ort, wo sich durch das Kreuz und die Auferstehung unser zentrales Heilsereignis vollzieht. Und gleichfalls in Jerusalem wird am Ende aller dieser Ereignisse die Geburtsstunde der Kirche stehen. Und als Jesus in diesem entscheidenden Augenblick zuerst seine Jünger fragt: »Für wen halten mich die Menschen?« (Mk 8,27), geben sie ihm ganz unterschiedliche Antworten: Johannes der Täufer, Elija, ein Prophet! Wie im Laufe all der Jahrhunderte liefern auch heute noch jene, die auf ihrem Weg Jesus gefunden haben, ihre Antworten. Es sind Annäherungen, die helfen können, den Weg der Wahrheit zu finden. Aber ohne unbedingt falsch zu sein, bleiben sie dennoch ungenügend, denn sie gelangen nicht zum Kern der Identität Jesu. Nur wer zustimmt, ihm auf seinem Weg zu folgen, in Verbundenheit mit ihm in der Gemeinschaft der Jünger zu leben, kann eine wahrhaftige Kenntnis von ihm haben. Da wird nun Petrus, der einige Zeit mit Jesus gelebt hat, seine Antwort geben: »Du bist der Messias« (Mk 8,29). Zweifellos eine richtige Antwort, aber dennoch ungenügend, so daß sich Jesus zu einer Präzisierung veranlaßt sieht. Er ahnt, daß die Leute im Hinblick auf falsche irdische Hoffnungen sich dieser Antwort für Pläne bedienen könnten, die nicht seine Pläne sind. Er läßt sich nicht auf die rein menschlichen Attribute eines von vielen erwarteten irdischen Befreiers einschränken.

Mit der Ankündigung an seine Jünger, er werde leiden müssen und vor seiner Auferstehung dem Tod ausgeliefert werden, will ihnen Jesus begreiflich machen, wer er in Wahrheit ist: ein leidender Messias, ein dienender Messias und kein allmächtiger politischer Befreier. Er ist der bis zum Verlust seines Lebens dem Willen seines Vaters gehorsame Knecht. Das verkündete schon in der ersten Lesung der Prophet Jesaja. Jesus widerspricht also dem, was viele von ihm erwarteten. Seine Aussage schockiert und verwirrt. Und man kann den Einwand des Petrus verstehen, der ihm Vorwürfe macht und für seinen Meister Leiden und Tod absolut ablehnt! Jesus geht streng mit ihm um und macht ihm begreiflich, daß jeder, der sein Jünger sein will, akzeptieren muß, Diener zu sein, so wie er sich zum Diener gemacht hat.

Sich in die Nachfolge Jesu zu stellen, heißt sein Kreuz zu nehmen, um ihn auf seinem Weg zu begleiten, einem beschwerlichen Weg, der nicht der Weg der Macht oder des irdischen Ruhmes ist, sondern der Weg, der notwendigerweise zur Entsagung führt und darin besteht, sein Leben für Christus und das Evangelium zu verlieren, um es zu retten. Denn wir sind sicher, daß dieser Weg zur Auferstehung, zum wahren und endgültigen Leben mit Gott führt. Der Entschluß, Jesus Christus zu begleiten, der zum Diener aller geworden ist, erfordert eine immer größere Vertrautheit mit ihm, indem wir aufmerksam sein Wort hören, um daraus die Inspiration für unser Tun zu schöpfen. Mit der Ausrufung des Jahres des Glaubens, das am kommenden 11. Oktober beginnen wird, war ich bestrebt, daß sich jeder Gläubige auf neue Weise wieder auf den Weg der Umkehr des Herzens begeben kann. Während dieses ganzen Jahres will ich euch daher von Herzen dazu ermutigen, euer Nachdenken über den Glauben zu vertiefen, um ihn bewußter zu machen und eure Anhänglichkeit zu Christus Jesus und zu seinem Evangelium zu festigen.

Liebe Brüder und Schwestern, der Weg, auf dem uns Christus führen will, ist ein Weg der Hoffnung für alle. Die Herrlichkeit Jesu wird in dem Augenblick offenbar, wo er in seinem Menschsein am schwächsten erscheint: besonders bei seiner Menschwerdung und am Kreuz. Deshalb offenbart Gott seine Liebe dadurch, daß er sich zum Knecht macht, sich uns hingibt. Ist das nicht ein ganz außergewöhnliches Geheimnis, das anzunehmen uns manchmal schwerfällt? Selbst der Apostel Petrus wird es erst später begreifen.

In der zweiten Lesung hat uns der heilige Jakobus daran erinnert, daß diese Nachfolge Jesu, um glaubwürdig zu sein, konkrete Handlungen verlangt. »Ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke« (Jak 2,18). Es ist für die Kirche ein zwingendes Erfordernis zu dienen und für die Christen, nach dem Vorbild Jesu wahrhaftige Diener zu sein. Der Dienst ist ein fundamentales Element der Identität der Jünger Christi (vgl. Joh 13, 15-17). Berufung des Christen und der Kirche ist es zu dienen, wie der Herr selbst es getan hat: unentgeltlich und allen, ohne Unterschied. So müssen sie der Gerechtigkeit und dem Frieden dienen; in einer Welt, wo die Gewalt ihren Todes- und Vernichtungszug unaufhörlich ausweitet, ist es eine Dringlichkeit, sich für eine brüderliche Gesellschaft, für den Aufbau der Gemeinschaft einzusetzen! Liebe Brüder und Schwestern, ich bitte den Herrn besonders darum, dieser Region des Nahen Ostens Diener des Friedens und der Versöhnung zu senden, damit alle in Frieden und würdig leben können. Das ist ein wesentliches Zeugnis, das die Christen in Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens hier erbringen sollen. Ich rufe alle dazu auf, für den Frieden zu arbeiten. Jeder auf seiner Ebene und dort, wo er sich befindet.

Der Dienst muß weiterhin im Zentrum des Lebens der christlichen Gemeinschaft selbst stehen. Jedes Amt, jede Aufgabe in der Kirche sind zuerst ein Dienst an Gott und an den Brüdern! Dieser Geist muß alle Getauften gegenseitig beseelen, besonders durch ein wirksames Engagement gegenüber den Ärmsten, den Ausgegrenzten, den Leidenden, damit die unveräußerliche Würde jedes Menschen gewahrt werde.

Liebe Brüder und Schwestern, die ihr körperlich oder in eurem Herzen leidet, euer Leiden ist nicht vergeblich! Der dienende Christus ist allen Leidenden nahe. Er ist bei euch. Mögt ihr auf eurem Weg Brüder und Schwestern finden können, die konkret von seiner liebevollen Gegenwart Zeugnis geben, die davon Zeugnis geben, daß er euch nicht im Stich lassen wird! Seid durch Christus voller Hoffnung!

Und ihr alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr gekommen seid, um an dieser Meßfeier teilzunehmen, bemüht euch, dem Herrn Jesus immer gleichförmiger zu werden, ihm, der sich für das Leben der Welt zum Diener aller gemacht hat. Gott segne den Libanon, er segne alle Völker dieser geliebten Region des Nahen Ostens und schenke ihr seinen Frieden. Amen.

 

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