PAPST FRANZISKUS
ANGELUS
Petersplatz
Sonntag, 3. November 2013
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium des heutigen Sonntags zeigt uns Jesus, der auf seinem Weg nach Jerusalem in die Stadt Jericho einzieht. Das ist die letzte Etappe einer Reise, die in sich den Sinn des ganzen Lebens Jesu zusammenfasst, das der Suche nach den verlorenen Schafen des Hauses Israels und deren Errettung gewidmet ist. Doch je mehr sich der Weg dem Ziel nähert, desto mehr schließt sich um Jesus ein Kreis der Feindseligkeit.
Und dennoch trägt sich in Jericho eines der freudigsten Ereignisse zu, von denen der hl. Lukas berichtet: die Bekehrung des Zachäus. Dieser Mann ist ein verlorenes Schaf, er wird verachtet und ist ein »Exkommunizierter«, da er ein Zöllner ist, mehr noch, er ist der oberste Zollpächter der Stadt, Freund der verhassten römischen Besatzer, er ist ein Dieb und ein Ausbeuter. Da er wahrscheinlich aufgrund seines schlechten Rufs daran gehindert wird, sich Jesus zu nähern, und weil er von kleiner Statur ist, klettert Zachäus auf einen Baum, um den vorbeigehenden Meister sehen zu können. Diese ein wenig lächerliche äußere Handlung ist jedoch Ausdruck einer inneren Geste des Mannes, der versucht, sich über die Menschenmenge zu erheben, um mit Jesus in Kontakt zu treten.
Zachäus selbst weiß nicht um den tiefen Sinn seiner Geste, er weiß nicht, warum er dies tut, doch er tut es. Er wagt nicht einmal zu hoffen, dass der Abstand, der ihn vom Herrn trennt, überwunden werden könnte. Er begnügt sich damit, ihn nur vorübergehen zu sehen. Doch als Jesus in die Nähe jenes Baumes gelangt, ruft er ihn beim Namen: »Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein« (Lk 19,5). Jener kleinwüchsige, von allen abgelehnte und von Jesus ferne Mensch ist gleichsam in der Anonymität verloren. Doch Jesus ruft ihn, und in der Sprache jener Zeit hat der Name »Zachäus« eine schöne Bedeutung voller Anspielungen: »Zachäus« nämlich heißt »Gott erinnert sich«.
Und Jesus geht in das Haus des Zachäus und erregt damit die Kritik aller Leute von Jericho (denn auch damals wurde viel geschwatzt!), die sagten: Wie bitte? Bei all den anständigen Leuten, die es in der Stadt gibt, kehrt er ausgerechnet bei jenem Zöllner ein? Ja, denn er war verloren; und Jesus sagt: »Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist« (Lk 19,9). Von jenem Tag an trat in das Haus des Zachäus die Freude ein, es trat der Friede ein, es trat das Heil ein, Jesus trat ein. Es gibt keinen Beruf oder sozialen Stand, es gibt keine Sünde oder kein Verbrechen irgend einer Art, die auch nur eines seiner Kinder aus dem Gedächtnis und dem Herzen Gottes löschen könnten. »Gott erinnert sich«, immer, er vergisst keinen von denen, die er erschaffen hat. Er ist Vater, immer in der wachsamen und liebevollen Erwartung, im Herzen des Sohnes das Verlangen neu entstehen zu sehen, nach Hause zurückzukehren.
Und wenn er jenes auch nur angedeutete und viele Male fast unbewusste Verlangen erkennt, ist er sofort an seiner Seite, und mit seiner Vergebung macht er ihm den Weg der Umkehr und der Heimkehr leichter. Schauen wir auf Zachäus, heute, auf dem Baum: seine Geste ist eine lächerliche Geste, doch es ist eine Geste des Heils. Und ich sage dir: Wenn etwas dein Gewissen belastet, wenn du dich vieler Dinge schämst, die du getan hast, dann halte ein wenig inne, erschrick nicht. Denk daran, dass dich jemand erwartet, weil er nie aufgehört hat, sich an dich zu erinnern; und dieser Jemand ist dein Vater, es ist Gott, der dich erwartet! Klettere hinauf, wie es Zachäus getan hat; steig auf den Baum des Verlangens, Vergebung zu erhalten; ich versichere dir, dass du nicht enttäuscht werden wirst. Jesus ist barmherzig und wird nie müde zu vergeben! Behalte das gut im Gedächtnis, so ist Jesus. Brüder und Schwestern, lassen auch wir uns von Jesus beim Namen rufen! In der Tiefe des Herzens wollen wir seine Stimme hören, die sagt: »Heute muss ich in deinem Haus zu Gast sein«, das heißt in deinem Herzen, in deinem Leben.
Und nehmen wir ihn voll Freude auf: er kann uns verändern, er kann unser Herz aus Stein in ein Herz aus Fleisch verwandeln, er kann uns vom Egoismus befreien und aus unserem Leben ein Geschenk der Liebe machen. Jesus kann es tun; lass dich von Jesus anblicken!
Nach dem Angelusgebet
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich grüße voll Zuneigung alle Römer und die anwesenden Pilger, besonders die Familien, die Pfarreien und die Gruppen aus vielen Ländern der Welt. Ich grüße die Gläubigen aus dem Libanon und aus der Stadt Madrid. Ich begrüße die Kinder aus Petosino, die Firmlinge aus Grassina (Florenz) und die Jugendlichen aus Cavallermaggiore (Cuneo); die Pilger aus Neapel, Salerno, Venedig, Nardò und Gallipoli. Allen wünsche ich einen gesegneten Sonntag und eine gesegnete Mahlzeit. Auf Wiedersehen!
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