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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH KUBA, IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
UND BESUCH DER VEREINTEN NATIONEN

(19.-28. SEPTEMBER 2015)

BESUCH IM CARITAS-ZENTRUM DER PFARREI ST. PATRICK
UND BEGEGNUNG MIT OBDACHLOSEN

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Washington, D.C
Donnerstag, 24. September 2015

[Multimedia]


 

Es ist mir ein Vergnügen, euch zu treffen. Guten Tag! Ihr werdet zwei Predigten hören: eine auf Spanisch und eine auf Englisch. Das erste Wort, das ich euch sagen möchte, ist „danke“. Danke, dass ihr mich empfangt, und danke für die Bemühungen, die ihr unternommen habt, um diese Begegnung zu bewerkstelligen.

Hier denke ich an einen Menschen, den ich sehr liebe und der in meinem Leben sehr wichtig war und ist. Er war eine Stütze und eine Quelle der Inspiration. An ihn wende ich mich, wenn ich „in der Klemme bin“. Ihr lasst mich an den heiligen Josef denken. Eure Gesichter erinnern mich an ihn.

Im Leben des heiligen Josef gab es schwierige Situationen zu meistern. Eine davon war der Moment, als Maria Jesus zur Welt bringen, ihn gebären sollte. Die Bibel sagt: »Als sie dort [in Betlehem] waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.« (Lk 2,6-7). Die Bibel ist ganz deutlich: Es gab keinen Platz für sie. Ich stelle mir Josef vor mit seiner Frau, die kurz davor war, ihr Kind zu gebären, ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Haus, ohne Unterkunft. Der Sohn Gottes kam in diese Welt als einer, der keine Wohnung hat. Der Sohn Gottes kam als „Obdachloser“. Der Sohn Gottes wusste, was es heißt, das Leben zu beginnen ohne ein Dach über dem Kopf. Wir können uns die Fragen Josefs in diesem Augenblick vorstellen: Warum hat der Sohn Gottes keine Unterkunft für sein Leben? Warum sind wir obdachlos, warum haben wir keine Wohnung? Dies sind Fragen, die sich viele von euch täglich stellen können und das auch tun. Genauso wie der heilige Josef fragen sie sich: Warum sind wir ohne Wohnung, ohne ein Zuhause? Und uns, die wir eine Wohnung und ein Zuhause haben, wird es auch gut tun, uns zu fragen: Warum sind diese unsere Brüder und Schwestern obdachlos? Warum haben diese unsere Brüder und Schwestern keine Wohnung?

Josefs Fragen sind weiter aktuell. Sie begleiten all jene, die in der Geschichte obdachlos waren und sind.

Josef war einer, der sich Fragen stellte. Vor allem aber war er ein Mann des Glaubens. Und der Glaube war es, der Josef die Kraft gab, Licht zu finden in diesem Moment, als alles dunkel zu sein schien. Der Glaube stützte ihn in den Schwierigkeiten seines Lebens. Dank des Glaubens war Josef dazu in der Lage, weiter zu gehen, wenn alles stehen zu bleiben schien.

Angesichts ungerechter und schmerzvoller Situationen bringt der Glaube uns das Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Wie bei Josef macht der Glaube uns offen für die stille Gegenwart Gottes in jedem Augenblick unseres Lebens, in jeder Person und in jeder Situation. Gott ist in einem jeden von euch gegenwärtig, in einem jeden von uns.

Ich möchte ganz deutlich sein: Es gibt keinen Grund, das Fehlen von Unterkünften gesellschaftlich oder moralisch oder wie auch immer zu rechtfertigen und zu akzeptieren. Es sind ungerechte Situationen, aber wir wissen, dass Gott sie mit uns erleidet, sie an unserer Seite erlebt. Er lässt uns nicht allein.

Jesus wollte nicht nur mit jedem Menschen solidarisch sein, er wollte nicht nur, dass niemand das Gefühl habe, ohne seine Begleitung, seine Hilfe, seine Liebe zu sein oder so lebe. Er selbst hat sich mit allen identifiziert, die leiden, die weinen, die irgendeine Art von Ungerechtigkeit erleiden. Er sagt das ganz deutlich: »Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen« (Mt 25,35).

Der Glaube lässt uns wissen, dass Gott an eurer Seite ist, dass Gott in unserer Mitte ist und dass seine Gegenwart uns zur Nächstenliebe bewegt. Diese Nächstenliebe hat ihren Ursprung im Anruf eines Gottes, der weiter an unsere Tür klopft, an die Tür aller Menschen, um uns einzuladen zu Liebe, zu Mitleid, zum Dienst füreinander.

Jesus klopft immer wieder an unsere Türen, an die Türen unseres Lebens. Er tut dies nicht auf magische Weise, er tut dies nicht mit Spezialeffekten, mit Leuchtreklamen oder Feuerwerk. Jesus klopft immer wieder an unsere Tür in den Gesichtern unserer Brüder und Schwestern, in den Gesichtern unserer Nachbarn, in den Gesichtern der Menschen an unserer Seite.

Liebe Freunde, eine der wirkungsvollsten Weisen zu helfen, die wir haben, ist das Gebet. Das Gebet verbindet uns; es macht uns zu Brüdern und Schwestern; es öffnet unsere Herzen und erinnert uns an eine schöne Wahrheit, die wir manchmal vergessen. Beim Gebet lernen wir alle „Vater“, „Papa“ zu sagen, und wenn wir „Vater“, „Papa“ sagen, begegnen wir einander als Brüder und Schwestern. Beim Gebet gibt es nicht Reiche oder Arme, da gibt es Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern. Beim Gebet gibt es nicht Menschen erster oder zweiter Klasse, da gibt es Brüderlichkeit.

Beim Gebet findet unser Herz die Kraft, nicht kalt und gefühllos zu werden gegenüber Situationen der Ungerechtigkeit. Beim Gebet ruft und weckt uns Gott immer wieder zur Nächstenliebe.

Wie gut tut es uns, gemeinsam zu beten. Wie gut tut es, einander in diesem Raum zu begegnen, in dem wir einander als Brüder und Schwestern sehen und uns bewusst werden, dass wir gegenseitige Unterstützung brauchen. Und heute möchte ich mit euch beten, möchte ich mich mit euch zusammentun, denn ich brauche eure Unterstützung und eure Nähe. Ich möchte euch einladen, gemeinsam zu beten, füreinander, miteinander. So können wir weitermachen, mit dieser Unterstützung, die uns hilft, in der Freude darüber zu leben, dass Jesus in unserer Mitte ist. Und dass Jesus uns hilft, die Ungerechtigkeiten zu bereinigen, die er schon vor uns erlebt hat – die Ungerechtigkeit, keine Wohnung zu haben.  Seid ihr bereit, gemeinsam zu beten? Ich beginne auf Spanisch,  und ihr folgt auf Englisch.

Vater unser im Himmel

Und bevor ich gehe, möchte ich euch Gottes Segen erbitten:

Der Herr segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig.
Der Herr wende sein Angesicht euch zu und schenke euch Heil
(vgl. Num 6,24-26).

Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten! Danke.

 

 



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