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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE ÄRZTE, KRANKENPFLEGER UND IM GESUNDHEITSDIENST
TÄTIGEN DER LOMBARDEI

Sala Clementina
Samstag, 20. Juni 2020

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Liebe Brüder und Schwestern, herzlich willkommen!

Ich danke dem Präsidenten der Region Lombardei für seine Worte. Von Herzen begrüße ich den Erzbischof von Mailand und die Bischöfe von Bergamo, Brescia, Cremona, Crema und Lodi sowie die weiteren hier anwesenden Verantwortungsträger. Ich grüße die Ärzte und Ärztinnen, Pfleger und Krankenschwestern, das gesamte Pflegepersonal und den Zivilschutz sowie die Gebirgsjäger.

Mein Gruß gilt ebenso den Priestern und Gottgeweihten. Sie sind als Repräsentanten der Lombardei hierher gekommen, aus einer der am stärksten von der Covid-19-Epidemie betroffenen Regionen – neben Piemont, Emilia Romagna und Venetien, insbesondere aus Vo’ Euganeo, vertreten durch den Bischof von Padua. Heute möchte ich im Geiste auch diese Regionen umarmen. Und ich grüße die Gruppe aus dem römischen »Spallanzani«-Krankenhaus mit seiner Spezialabteilung, die viel zur Bekämpfung des Virus beigetragen hat.

Im Lauf dieser mühevollen Monate haben die verschiedenen Teile der italienischen Gesellschaft sich bemüht, den Gesundheitsnotstand mit Großherzigkeit und Engagement zu bewältigen. Ich denke an die nationalen und regionalen Institutionen, an die Gemeinden; ich denke an die Diözesen, Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften; an die vielen Vereinigungen ehrenamtlicher Helfer. Mehr denn je haben wir lebhafte Dankbarkeit für die Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger sowie das gesamte Gesundheitspersonal empfunden, die in einem mühevollen und zuweilen heroischen Dienst an vorderster Front standen. Sie waren sichtbare Zeichen einer Menschlichkeit, die das Herz erwärmt. Viele von ihnen haben sich angesteckt und einige sind leider in Ausübung ihres Berufes gestorben. Wir gedenken ihrer im Gebet und mit großer Dankbarkeit.

Im Strudel einer Epidemie mit schockierenden und unerwarteten Auswirkungen war die zuverlässige und großzügige Anwesenheit des medizinischen und paramedizinischen Personals der sichere Bezugspunkt, vor allem für die Kranken, aber in ganz besonderer Weise auch für die Familienangehörigen, die in diesem Fall nicht die Möglichkeit hatten, ihre Angehörigen zu besuchen. Und so haben sie in Ihnen, den Pflegekräften, gleichsam weitere Familienangehörige gefunden, die in der Lage waren, mit der professionellen Kompetenz jene Aufmerksamkeiten zu verbinden, die konkreter Ausdruck der Liebe sind. Die Patienten haben häufig gespürt, dass »Engel« an ihrer Seite waren, die ihnen geholfen haben, gesund zu werden, und die sie zugleich getröstet, unterstützt und zuweilen auch bis zur endgültigen Begegnung mit dem Herrn begleitet haben. Die Pflegekräfte haben, unterstützt von der Fürsorge der Krankenhausseelsorger, die Nähe Gottes zu den Leidenden bezeugt, sie waren stille Baumeister einer Kultur der Nähe und der Zärtlichkeit. Kultur der Nähe und der Zärtlichkeit.

Und Sie waren deren Zeugen auch in den kleinen Dingen: den Liebkosungen … und auch über das Mobiltelefon, indem sie jenen sterbenden alten Menschen mit dem Sohn, mit der Tochter verbunden haben, um sich zu verabschieden, um sie ein letztes Mal zu sehen… Kleine Gesten der Kreativität der Liebe. Das hat uns allen gut getan. Zeugnis der Nähe und der Zärtlichkeit. Liebe Ärzte und Pfleger, die Welt hat sehen können, wie viel Gutes Sie in einer Situation großer Prüfung getan haben. Auch in der Erschöpfung haben Sie sich mit Professionalität und Opferbereitschaft weiter eingesetzt. Wie viele medizinische und paramedizinische Mitarbeiter, Pfleger und Krankenschwestern, konnten nicht nach Hause gehen und schliefen dort, wo sie konnten, da im Krankenhaus keine Betten zur Verfügung standen! Und das weckt Hoffnung. Sie [der Papst wendet sich an den Präsidenten der Region] haben von der Hoffnung gesprochen. Und das weckt Hoffnung.

Sie waren eine der tragenden Säulen des ganzen Landes. Ihnen, die Sie hier anwesend sind, und Ihren Kollegen in ganz Italien, gelten meine Wertschätzung und mein aufrichtiger Dank, und ich weiß, dass ich damit den Empfindungen aller Ausdruck verleihe. Jetzt ist der Augenblick gekommen, auf dieser ganzen positiven Energie aufzubauen, die eingesetzt wurde. Sie darf nicht vergessen werden! Sie ist ein Reichtum, der im Drama des Notstands zum Teil sicherlich »nicht rückzahlbar« war. Aber der Großteil kann und muss Frucht bringen für die Gegenwart und die Zukunft der Gesellschaft der Lombardei und Italiens. Die Pandemie hat das Leben der Menschen und die Geschichte der Gemeinschaften tief gezeichnet. Um das Leiden der Kranken und der vielen Verstorbenen zu ehren, vor allem der alten Menschen, deren Lebenserfahrung nicht vergessen werden darf, muss die Zukunft aufgebaut werden: Das verlangt den Einsatz, die Kraft und Hingabe aller.

Es geht darum, neu anzufangen, ausgehend von den zahllosen Zeugnissen großherziger und selbstloser Liebe, die in den Gewissen und im Gefüge der Gesellschaft eine unauslöschliche Spur hinterlassen haben, da sie uns gelehrt haben, wie sehr Nähe, Fürsorge, Opfer notwendig sind, um die Geschwisterlichkeit und das gesellschaftliche Zusammenleben zu fördern. Und mit dem Blick auf die Zukunft kommen mir jene Worte von Fra Felice im Lazarett in den Sinn, die wir bei Manzoni finden [Die Verlobten, Kap. 36]: Mit wie viel Realismus blickt er auf die Tragödie, blickt er auf den Tod, aber er blickt in die Zukunft und geht weiter. Auf diese Weise können wir geistlich und moralisch gestärkt aus dieser Krise hervorgehen; und das hängt vom Gewissen und von der Verantwortung jedes einzelnen von uns ab. Aber nicht allein, sondern gemeinsam und mit der Gnade Gottes. Als Glaubende sind wir aufgerufen zu bezeugen, dass Gott uns nicht im Stich lässt, sondern dass er in Christus auch dieser Wirklichkeit und unseren Grenzen einen Sinn gibt; dass wir mit seiner Hilfe die härtesten Prüfungen überstehen können.

Gott hat uns für die Gemeinschaft geschaffen, für die Geschwisterlichkeit, und jetzt hat sich mehr denn je der Anspruch als Illusion erwiesen, alles auf sich selbst auszurichten – das ist illusorisch –, den Individualismus zum Leitprinzip der Gesellschaft zu machen. Aber seien wir vorsichtig, denn sobald der Notstand überwunden ist, ist es leicht, in diese Illusion zurückzufallen, hineinzurutschen. Leicht und schnell vergessen wir, dass wir die anderen brauchen, dass wir jemanden brauchen, der für uns sorgt, der uns Mut macht. Zu vergessen, dass wir alle einen Vater brauchen, der uns die Hand reicht. Zu ihm zu beten, ihn anzurufen, das ist keine Illusion.

Eine Illusion ist es zu meinen, dass man ihn nicht braucht! Das Gebet ist die Seele der Hoffnung. In diesen Monaten konnten die Menschen nicht vor Ort an den Gottesdiensten teilnehmen, aber sie haben nicht aufgehört, sich als Gemeinschaft zu fühlen. Sie haben allein oder in der Familie gebetet, auch über die sozialen Kommunikationsmittel geistig vereint und mit der Erkenntnis, dass die Umarmung des Herrn über die Grenzen des Raumes hinausging. Der pastorale Eifer und die kreative Sorge der Priester haben den Menschen geholfen, den Weg des Glaubens fortzusetzen und angesichts von Schmerz und Angst nicht allein zu bleiben. Diese priesterliche Kreativität war stärker als einige wenige »jugendliche« Äußerungen gegen die Maßnahmen der Behörden, die die Pflicht haben, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Der größte Teil war gehorsam und kreativ. Ich habe den Geist des Apostolats vieler Priester bewundert, die mit dem Telefon unterwegs waren, die an die Türen klopften, an den Häusern klingelten: »Brauchen Sie etwas? Ich gehe für Sie einkaufen…« Tausend Dinge. Die Nähe, die Kreativität, ohne sich zu schämen. Die Priester, die im fürsorglichen, täglichen Teilen an der Seite ihres Volkes geblieben sind: Sie waren ein Zeichen der tröstenden Gegenwart des Herrn. Sie waren Väter, keine Heranwachsenden. Leider sind nicht wenige von ihnen gestorben, wie auch Ärzte und Pflegepersonal. Und auch unter Ihnen sind einige Priester, die krank waren und Gott sei Dank gesund geworden sind. Durch euch danke ich dem gesamten italienischen Klerus, der Mut und Liebe zu den Menschen bewiesen hat.

Liebe Brüder und Schwestern, einem jeden von Ihnen und allen, die Sie vertreten, möchte ich erneut meine hohe Wertschätzung für das zum Ausdruck bringen, was Sie in dieser mühevollen und komplexen Situation geleistet haben. Die Jungfrau Maria, die in Ihrer Region in zahlreichen Wallfahrtsorten und Kirchen verehrt wird, begleite und stütze Sie stets mit ihrem mütterlichen Schutz. Und vergessen Sie nicht, dass Sie mit Ihrer Arbeit – der Arbeit von Ihnen allen, den Ärzten, den Sanitätern, freiwilligen Helfern, Priestern, Ordensleuten, Laien, die Sie dies getan haben – ein Wunder begonnen haben. Habt Glauben und wie jener Schneider, ein geborener Theologe, gesagt hat: »Ich habe noch nicht erlebt, dass Gott ein Wunder nicht zu einem guten Ende geführt hat« [Manzoni, Die Verlobten, Kap. 24].

Möge er dieses Wunder, das Sie begonnen haben, zu einem guten Ende führen! Meinerseits werde ich weiterhin für Sie und Ihre Gemeinschaften beten und erteile Ihnen voll Zuneigung einen besonderen Apostolischen Segen. Und bitte vergessen Sie nicht, für mich zu beten, ich brauche es. Danke. [Segen] Jetzt, die Abschiedsliturgie. Aber wir müssen die Verfügungen befolgen: Ich werde Sie nicht hierher kommen lassen, ich werde kommen und Sie im Vorbeigehen höflich verabschieden, wie man das tun soll, wie die Behörden es uns gesagt haben. Und so verabschieden wir uns als Brüder und beten füreinander. Zuerst machen wir das gemeinsame Foto und dann komme ich, um mich zu verabschieden.

 


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